Bildungskarenz kürzen? Ein falsches Signal

Bildungskarenz kürzen? Ein falsches Signal
Das Angebot ist in Österreich ein wirksamer und gut angenommener Bildungsmotor. Ein Gastkommentar von John Evers.

Ausgerechnet im „European Year of Skills“ der EU-Kommission fordert der Arbeitsminister Verschärfungen beim Zugang zur Bildungskarenz. Dem zugrunde liegt auch ein überholter Kompetenzbegriff.

Die Bildungskarenz in Österreich ist ein wirksamer und gut angenommener Bildungsmotor. Fast 14.000 Personen nehmen diese Möglichkeit pro Jahr in Anspruch; davon fast die Hälfte mit einem Formalabschluss unter dem Maturaniveau und zu einem Bruchteil der Pro-Kopf-Kosten eines Studienplatzes. Was Minister Kocher und auch der Rechnungshof kritisieren, kann sich in Wahrheit international sehen lassen.

Der Rechnungshof empfiehlt nun, die gesetzlichen Bestimmungen für die Bildungskarenz zu überarbeiten. „Ziel wäre eine klare Ausrichtung auf Weiterbildungen, die die Position der Beziehenden auf dem Arbeitsmarkt verbessern.“ Sind also Kurse, welche etwa die kommunikativen Fähigkeiten erhöhen, oder Bildungsmaßnahmen, die nachweislich den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden verbessern – wie beispielsweise faktisch das gesamte Volkshochschulangebot –z, nicht relevant für den Arbeitsmarkt? Was für eine Idee von Bildung steckt hinter der Annahme, jemand würde erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen und zudem oft eigenes Geld für den Kursbesuch bezahlen, um sich – wie der Rechnungshof ebenfalls unterstellt – eine „Auszeit“ zu erschleichen?

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Gerade im „European Year of Skills“ gilt es zu bedenken, aus welchen Motiven Menschen im Erwachsenenalter Bildungsmaßnahmen besuchen. Bei einer entsprechenden Erhebung (AES: 2016) lag der Spitzenwert der Rückmeldungen in Österreich bei der Antwort „Fähigkeiten für den Alltag erhöhen“ bei 95,3 Prozent und damit weit vor „Job besser ausüben“. Immerhin 46,9 Prozent gaben aber auch an: „Neue Menschen kennenlernen/aus Spaß“.

Wer also grundsätzlich (mehr) Menschen in Bildung bringen will, tut gut daran, diese Aspekte zu berücksichtigen und auch den Spaß nicht zu vergessen. Das bedeutet, Institutionen und Angebote zu unterstützen, die Menschen motivieren, an einer Weiterbildung teilzunehmen oder – vielleicht erstmals – eine Erwachsenenbildungseinrichtung zu betreten.

Selbstverständlich ist auch darüber zu diskutieren, woher die entsprechende Finanzierung kommen soll. Tatsache ist aber, dass nicht nur die AMS-Leistungen stark ausgebaut sind. Vor allem die privaten Haushalte finanzieren inzwischen 42 Prozent der Weiterbildungskosten. Bildung ist und bleibt somit auf vielen Ebenen auch eine (Um)Verteilungsfrage. Verschärfungen bei der Bildungskarenz wären aber genau deshalb ein völlig falsches Signal. Vielmehr wäre ein großzügiger Ausbau von Förderungen für Kurse, Teilnehmende und Bildungseinrichtungen mit niederschwelligen Angeboten nötig.

John Evers ist Generalsekretär des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen

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