Funktioniert die EU noch?

Martina Salomon
Die Europäische Union wird in der Flüchtlingsfrage immer erpressbarer und reagiert selbst in einer Pandemie bürokratisch
Martina Salomon

Martina Salomon

Österreich und die EU: Das ist eine Geschichte der Entfremdung. Jahrzehntelang bewegte sich Österreich im Windschatten Deutschlands. Doch Kanzler Kurz hat diesen Pfad verlassen. Bei der Flüchtlingsfrage 2015 schlug er einen anderen Weg als Angela Merkel ein. Mittlerweile ist selbst das rot-grüne Schweden für einen restriktiven Flüchtlingskurs wegen der Bandenkriege im Land. Beim aktuellen Budget war Österreich Teil der Gruppe, die sich nicht den deutsch-französischen Vorgaben unterwarf und in die Rolle der „lästigen“ sparsamen Engländer schlüpfte. Und jetzt kämpft Finanzminister Blümel um die Genehmigung für einen weiteren Fixkostenzuschuss für Unternehmen. Laut EU-Kommission wurde das Ansuchen, österreichische Betriebe mit österreichischem Steuergeld retten zu dürfen, mit unkorrekter Begründung eingereicht, weil es sich bei der Pandemie nicht um eine Naturkatastrophe handle. Eine überbürokratische Reaktion? Ja, sicher. Aber Österreichs Verwaltung ist um keinen Deut besser. Corona legt national wie international Missstände erbarmungslos offen.

Das größte ungelöste Thema bleibt aber die Flüchtlingsfrage. Die großzügigen Sozialsysteme von Deutschland und Österreich haben Sogwirkung. Leider verliert Europa ausgerechnet auf Libyen, den Schlüsselstaat, der die afrikanischen Fluchtbewegungen bremsen könnte, Einfluss. Dort dominieren verbrecherische Milizen, die Türkei und Russland. Griechenland wiederum ist trotz Milliardenzahlungen der EU überfordert. Dass die EU nicht einmal vernünftige Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge zustande bringt, ist natürlich Wasser auf die Mühlen der EU-Skeptiker. Was schrecklich ist, denn die Europäische Union ist prinzipiell ein erfolgreiches Friedens- und Wohlstandsprojekt, von dem das exportorientierte Österreich ganz besonders profitiert. Aber wer ein innovatives Unternehmen gründen will, geht wohl lieber in die USA, wo ein attraktiveres Steuerrecht, ein besserer Finanzmarkt, deutlich weniger Regularien sowie mehr Optimismus locken.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versucht trotz allem, hoffnungsfroh zu sein. Sie kündigt einen Migrationspakt an und beharrt auf ihrem „Green Deal“. Dabei wäre man schon froh, wenn bestehende Vereinbarungen funktionieren würden. Und Österreich? Sollte sich möglicherweise um mehr Verbündete umschauen. Wer selbstbewusst aneckt, provoziert Kritiker, wie den sozialdemokratischen luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn. Wie viele Flüchtlinge Luxemburg von Lesbos denn aufnehme, fragte ihn ARD-Moderatorin Maischberger Mittwochabend. „Zehn bis 15“ war seine Antwort. Na ja. Damit löst man wohl auch keine essenziellen Probleme.

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