Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer

Der Streit um die Unabhängigkeit Kataloniens wird von beiden Seiten aus politischen Gründen angeheizt.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Grenzen zwischen Völkern sind gerade in Europa nie klar zu ziehen, immer bleibt irgendwo eine Minderheit übrig.

von Mag. Konrad Kramar

über das Katalonien-Referendum

Verfassungen sind nicht umsonst der Grundpfeiler demokratischer Rechtsstaaten. Sie sollen dem politischen Wind standhalten, egal aus welcher Richtung er gerade bläst. Spaniens demokratische Verfassung aus den 1970er-Jahren hält die Einheit des Landes hoch, auch weil dieses nach 40 Jahren Diktatur zu zerfallen drohte.

Kataloniens Separatisten mögen schlagkräftige historische Argumente für ihren Traum von einer eigenen Nation haben. Doch die als Rechtfertigung dafür zu verwenden, sich einfach über die Verfassung hinwegzusetzen und eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abzuhalten, ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Eine verfassungstreue Regierung ist da geradezu gezwungen, dem entgegenzutreten. Und die regierenden Konservativen in Madrid nützen diese Herausforderung , um erstens ihre eigene Schwäche zu übertünchen und zweitens ihren historisch tief verwurzelten Chauvinismus auszuleben.

Die über Jahrzehnte zwischen Madrid und Barcelona gelebte Kompromisskultur wird da einfach vom Tisch gewischt, um politisches Kleingeld zu machen. Die eigentlich hehre Idee vom Selbstbestimmungsrecht der Völker hat im Europa des 20. Jahrhunderts Zündstoff für Kriege, Vertreibungen, Leid und Tod Hunderttausender und bis heute ungelöste Spannungen geliefert. Wie weit der gerade eskalierende Konflikt um Katalonien noch geht, ist heute am Tag des Referendums noch gar nicht abzusehen.

Grenzen zwischen Völkern sind gerade in Europa nie klar zu ziehen, immer bleibt irgendwo eine Minderheit übrig. Deren Rechte zu sichern, sollte das Ziel moderner Demokratien sein, nicht Fieberträume, die ihren Ursprung im Nationalismus des 19. Jahrhunderts haben.

Kommentare