Zwanzig Jahre später stand zwar nie eine triumphale Rückkehr der US-Soldaten im Raum – zu hoch waren die Verluste auf vielen Ebenen, zu instabil war die Lage im Kriegsgebiet bereits bei der Rückzugsverkündung im Frühjahr. Aber zumindest erhobenen Hauptes wollte man heimkehren, keinesfalls jedoch geschlagen. Nun aber heißt es im US-Kongress, Präsident Biden ziehe sich zurück „wie ein Angsthase“.
Das Narrativ der Kapitulation ist nicht von der Hand zu weisen. Auch das ist so ein weltpolitisches Signal: an die Amerikaner und ihre Verbündeten, an die fortschrittlichen Kräfte in Afghanistan (ja, die gibt es, wenn auch vermutlich immer weniger) und an die Taliban. Nach Großbritannien (während der anglo-afghanischen Kriege) und der Sowjetunion (in den 1980ern) sind die USA die dritte Supermacht, die zermürbt und desillusioniert aus dem Land vertrieben wird.
Während in Washington zunächst einmal zwischen Demokraten und Republikanern darüber gestritten werden wird, wer die Niederlage in Afghanistan final zu verantworten hat, droht der restlichen Welt ein Ende mit Schrecken. Bereits bei ihren ersten, fünf Jahre andauernden Herrschaft rund um die Jahrtausendwende ließen die Taliban der El Kaida relativ freie Hand.
Wie reagiert El Kaida?
Durchaus real ist die Befürchtung, das in den vergangenen Jahren beinahe in der Bedeutungslosigkeit verschwundene Terrornetzwerk ließe sich nun in aller Ruhe und abseits der Weltöffentlichkeit wieder hochziehen. Und dass sich der sogenannte „Islamische Staat“, der prinzipiell verfeindet ist mit den Taliban, durch den Machtwechsel wohl neu positionieren (und noch stärker radikalisieren?) muss, trägt natürlich ebenfalls nicht zur Entspannung bei.
Im Land selbst wird das aktuelle Chaos bald einer umfassenden Hoffnungslosigkeit weichen. Wer die neuen politischen Kräfte ablehnt, wird das Weite suchen müssen. Die entstehenden Flüchtlingsfragen lediglich mit Unterstützung und Maßnahmen in den angrenzenden Staaten beantworten zu wollen, wie dies auch Österreich tut, wird einmal mehr zu wenig sein. An diesem Punkt gerät Symbolpolitik an ihre Grenzen. Wohl auch an unsere Grenzen.
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