Die SPÖ gehört nicht ihren Funktionären, sie ist allen etwas schuldig

VERANSTALTUNG SPÖ "THEMENRAT: ZEIT FÜR DIE WENDE. AUFBRUCH IN EINE NEUE INDUSTRIEPOLITIK": DEUTSCH/RENDI-WAGNER/LUDWIG
ÖVP und FPÖ finden immer enger zueinander. Im Sinne von Vielfalt und Interessenausgleich bedarf es einer politikfähigen SPÖ
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Der Pakt der ÖVP-Niederösterreich mit der FPÖ und die Chefsuche in der SPÖ – die zwei beherrschenden Themen haben mehr miteinander zu tun, als es auf den ersten Blick aussieht.

Die Koalition im katholischen Kernland mit der besonders rechten FPÖ verfestigt einen Kurs der ÖVP, der sie Schritt für Schritt von Schüssel über Kurz bis zu Mikl-Leitner immer enger an die FPÖ heranführt. Die ÖVP sieht sich inzwischen inhaltlich näher bei der FPÖ als bei der SPÖ und ist gewillt, Tabubrüche nicht nur zu dulden, sondern auch selbst zu begehen.

Niederösterreichs ÖVP stellt so viele Abgeordnete, dass die Mehrheit einer Bundeskoalition in der Regel von ihnen abhängt. Zählt man das schwarz-blaue Oberösterreich hinzu, ist offenkundig, wohin die Reise bei der neuen Bundesregierung 2024 gehen wird. Die jüngste KURIER-OGM-Umfrage zeigte bereits wieder eine klare Mehrheit für ÖVP und FPÖ.

Was das mit der SPÖ zu tun hat, liegt auf der Hand: Die Große Koalition ist mausetot. Oder, auf die Kandidaten heruntergebrochen: Das Konzept von Pamela Rendi-Wagner und ihrem Umfeld, irgendwie mit Glück in großkoalitionäre Ministerämter zu rutschen, hat wenig Realitätsgehalt.

Österreich treibt endgültig auf eine Lagerbildung zu, wie es sie in vielen anderen Staaten längst gibt. Erstaunlicherweise spielen solche grundlegenden Entwicklungen beim Selbstfindungsprozess der SPÖ kaum eine Rolle.

Dabei geht es um viel – um Rechtsstaat, Demokratie, Europapolitik – und um wirtschaftlichen Druck. So steht etwa die Kürzung von Sozialleistungen im Raum, weil den Firmen die Arbeitskräfte ausgehen. Wie wichtig wäre angesichts all dessen eine SPÖ, die imstande ist, die Interessen der Anderen zu formulieren, alternative Denkanstöße zu liefern und diese verständlich zu argumentieren.

Die SPÖ war einmal führend in der Bildungs- und Kulturpolitik, in Verfassungsfragen und einigem mehr. Heute wird das Herunterleiern von Themenüberschriften oft mit inhaltlicher Kompetenz verwechselt.

Die Mitgliederbefragung zur Chefsuche ist wenigstens ein innovativer Ansatz. Sie könnte ein Gegenmodell zur handstreichartigen Machtübernahme durch Sebastian Kurz 2017 in der ÖVP darstellen. Doch solange rote Uraltfunktionäre aus Angst um ihren Sessel jede Neuerung torpedieren, bleibt die Innovation eine Schimäre.

In der SPÖ hat sich noch nicht herumgesprochen, dass die Partei nicht ihren Funktionären gehört, sondern dass sie der Bevölkerung, auch jenen, die sie nicht wählen, etwas schuldig ist: Vielfalt herzustellen. Darüber hinaus bedeutet Demokratie auch Interessenausgleich. Und hier kommt auf die SPÖ angesichts der neuen ÖVP-FPÖ-Formation eine besonders wichtige Aufgabe zu.

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Daniela Kittner

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