Die Sehnsucht nach kantigen Siegertypen

Das Schicksal des Extremsportlers David Lama ist tragisch und offenbart eine unbequeme Wahrheit.
Wolfgang Unterhuber

Wolfgang Unterhuber

Schon der zweite Platz ist eine Niederlage.“ Mit diesem Satz wollte der amerikanische Geschäftsmann Joseph P. Kennedy aus Boston seine Kinder zu Höchstleistungen anspornen. Einer von Josephs Söhnen, John F. Kennedy, wurde später US-Präsident und eine Art politischer Rockstar. Sein tragisches Ende gilt vielen Menschen bis heute als Symbol für den Preis der Macht und des Erfolgs.

Triumph und Tragik liegen besonders im Sport nah beieinander. Man denke etwa an den verunglückten brasilianischen Formel-1-Star Ayrton Senna, der in seinem Heimatland heute wie ein Gott verehrt wird. Und hierzulande ist vielen Menschen noch der tödliche Unfall der zweifachen Super-G-Weltmeisterin Ulrike Maier in Erinnerung.

Die böse „Kommerzialisierung“ des Sports

Zu den Champions zählte auch der Tiroler David Lama. Der 28-jährige Kletterer und Extrembergsteiger, der diese Woche bei einem Lawinenunglück in Kanada ums Leben kam, galt als Ausnahmetalent.

Sein Tod wird einmal mehr die Frage aufwerfen, ob die zunehmende Ökonomisierung (man spricht auch gerne von „Kommerzialisierung“) des Hochleistungs- und Extremsports verantwortlich für derartige Unglücksfälle sei. Dahinter verbirgt sich der Vorwurf, dass Sponsoren aus der Wirtschaft ihre Schützlinge sprichwörtlich in eine tödliche Rekordspirale treiben würden. Das rührt daher, dass Wirtschaft speziell hierzulande häufig als dunkle Bedrohung wahrgenommen wird.

Freilich: Ohne Milliarden-Investments aus der Wirtschaft würden die meisten Sportarten heutzutage bestenfalls ein Schattendasein führen oder überhaupt nicht mehr existieren. Zudem stellt sich die Frage der Eigenverantwortung. Es darf von jedem Hochleistungs- und speziell von jedem Extremsportler erwartet werden, dass er sich der Gefahren bewusst ist, denen er sich aussetzt.

„Schneller, höher, stärker“

Letztendlich aber gibt es da noch die Sehnsucht des Publikums. So sehr in unserer Gesellschaft „Dabei sein ist alles“ als Gebot des allgemeinen politisch korrekten Weichspülens auch propagiert wird, so sehr sehnt sich das Publikum in Wahrheit nach kantigen Sieger-Typen. TV-Einschaltquoten lassen keinen Zweifel daran, dass es die Öffentlichkeit viel lieber mit dem Motto aus der Olympischen Charta hält. Dieses lautet „Schneller, höher, stärker“.

Am Ende zählt für das Publikum eben das Prinzip von Joseph P. Kennedy: der erste Platz. Das gilt für Politik, Wirtschaft und Ballett genauso wie für den Sport. Oder kann sich noch jemand an all die Zweitplatzierten hinter Marcel Hirscher in den vergangenen acht Ski-Weltcup-Saisonen erinnern?

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