Die Flucht zu den Regierenden

Die Flucht zu den Regierenden
Sicherheitsbedürfnis verschafft der ÖVP ein Rekordhoch in den Umfragen. Die Bundes-SPÖ rutscht hinter die Grünen auf den dritten Platz.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Wenn es eng wird, dann halten wir uns an denen fest, die gerade regieren. Das ist in Österreich ein über Jahrzehnte eingelernter Reflex.

So lange eine Regierung nicht offensichtlich überfordert ist, herrscht hierzulande ein gewisses Krisen-Grundvertrauen. Sebastian Kurz ist es gelungen, dieses Zutrauen, das früher einmal der großen Koalition galt, auf seine türkis-grüne Regierung zu übertragen.

Hilfreich ist ihm dabei sicherlich auch der besonnene grüne Gesundheitsminister. Man stelle sich – die auch ohne Krise schwer überforderte – Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein anstelle von Rudolf Anschober vor. Frei nach Tante Jolesch ist es ein Glück, dass Ibiza vor der Pandemie hereinbrach, nicht umgekehrt.

Was wird von einem Politiker in einer Krise eigentlich erwartet?

Niemand verlangt von einem Politiker, der bessere Virologe zu sein. Erwartet wird, dass ein Politiker sich umsichtig eine Meinung bildet (die besten Berater holt), klare Entscheidungen trifft, diese umsetzt und das, was er tut, erklärt, erklärt, erklärt.

Eigentlich ganz einfach.

Sebastian Kurz hat sich genau an das Krisenhandbuch gehalten, und das ist das Geheimnis hinter seinen sagenhaften Umfragewerten (siehe Artikel unten).

So wie Regierende stets auch für Fehler der Verwaltung büßen müssen, profitieren sie umgekehrt von einem funktionierenden Staat. Das ist besonders in Krisenzeiten der Fall. Man meckert nicht mehr über pingelige Parkstrafen. Das Ansehen der Polizei, der Katastrophenhelfer vom Bundesheer, der Sozialpartner und des Arbeitsmarktservice schießt in die Höhe und zieht auch Regierende mit hinauf.

Wie sonst ist es zu erklären, dass eine Ministerin explodierende Arbeitslosenzahlen emotionslos stotternd vom Blatt liest und dennoch im Vertrauen der Bevölkerung auf einem respektablen Platz landet?

Für die SPÖ bringt die krisenbedingte Umfrageentwicklung eine gute und eine schlechte Nachricht. Auf Bundesebene rutschen die Sozialdemokraten in der OGM-Umfrage erstmals auf den dritten Platz hinter die Grünen ab. Die Hoffnung, dass Rendi-Wagner aufgrund ihrer medizinisch-fachlichen Expertise auch politisch Fuß fassen könnte, ist wohl dahin.

Um die nächste große Wahl, die Wiener Gemeinderatswahl, muss die SPÖ deswegen aber nicht bangen. Im Gegenteil, die Wiener SPÖ und Bürgermeister Michael Ludwig könnten von dem krisenbedingten Bedürfnis nach Sicherheit profitieren. Wer will in Zeiten wie diesen schon politische Experimente? Für Ludwig gilt bis zu einem gewissen Grad dasselbe wie für Kurz auf Bundesebene: Es gibt für Regierende einen Krisenbonus, sofern sie sich nicht bei schweren Fehlern ertappen lassen.

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