Die Corona-Profiteure: Politisch immun gegen das Virus
Donald Trump und Boris Johnson haben derzeit Umfragewerte wie noch nie – trotz fragwürdiger Performance. Deutschland orakelt über Merkels fünfte Amtszeit. Wie kann das sein?
„Das ist wie die Grippe. Da müssen wir durch“, sagte Donald Trump vor drei Wochen. Boris Johnson, britischer Premier und erklärter Fan der Herdenimmunität, erzählte da auch noch grinsend, dass er die Hände von Corona-Kranken geschüttelt habe.
Jetzt, tausende Tote später, ist die politische Realität eine andere. Johnson sitzt infiziert in Quarantäne und Trump sagt, dass man einen „guten Job gemacht habe, wenn es nur 100.000 Tote in den USA gibt“. Dass parallel dazu die Umfragewerte der beiden in lichte Höhen schossen, ist der Treppenwitz dabei: Johnson ist so populär wie kaum ein Premier vor ihm; und Trump hat den höchsten Zustimmungswert seiner Amtszeit. Wie kann das sein?
Um die Flagge scharen
„,Rally round the flag’-Effekt nennt man das“, sagt Reinhard Heinisch, Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg. Kurz gesagt: In der Not schart man sich um die Regierung, weil man sich da sicher fühlt – egal, ob die Regierenden vor der Krise beliebt waren oder nicht. Von dieser „Sehnsucht nach Autorität“ profitieren neben Trump und Johnson auch Kanadas Premier Justin Trudeau oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – beide hatten vor der Krise Imageprobleme, die wie weggeblasen sind.
Selbst erratisches Agieren muss sich nicht unbedingt negativ auswirken, andere Faktoren sind wichtiger. „Zum einen steigt die Solidarität in der Gruppe, weil man quasi von außen angegriffen wird. Zum anderen sind die Regierungen die Einzigen, die Informationen ausgeben können – die Opposition kann nur kommentieren.“ Und als wohl heikelster Grund: „Regierende verbreiten automatisch Optimismus. Und die Menschen suchen Sinn in den Handlungen der Verantwortlichen – also sucht man auch Sinn im Unsinn“, so der Politologe.
Merkel, die Fünfte?
Auch in Deutschland scheint etwas, was schon unmöglich galt, nun wieder möglich. So wird über eine weitere Kandidatur von Angela Merkel spekuliert, die 2021 ja nicht mehr antreten wollte. Die Bild-Zeitung, die ihr kürzlich „Corona-Chaos“ vorwarf („keine Rede, kein Auftritt, keine Führung in der Krise“), schreibt nun über ihre fünfte Amtszeit. Und beruft sich auf CDU-Kreise, wo eine Verlängerung als eines von vielen Szenarien gilt, sollte man keine Nachfolger finden. Zudem mache sie, nüchtern und erfahren, gerade einen guten Job, heißt es im Text. Tatsächlich erreicht sie den höchsten Zufriedenheitswert in dieser Legislaturperiode (64 Prozent), auch die Union kommt auf 34 Prozent. Obwohl man den Deutschen massive Einschränkungen verordnet.
„Tiefe Krisen sind immer die Stunde der Exekutive“, erklärt Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin, nicht verwandt mit der Kanzlerin. Demokratietheoretisch sieht er das problematisch, „weil das Parlament als die vornehmste Repräsentationsinstitution an die Seite gedrängt wird“. Dass sich Kanzlerin Merkel rhetorisch zurückhält und nicht wie Macron von Krieg spricht („Frankreich hat schon immer eine bombastische Sprache der Staatsräson benützt. Macron bedient das und zeigt, dass die Macht bei der Exekutive liegt“), hat laut dem Politologen mit der deutschen Geschichte zu tun. Und: „Wir sind verglichen mit Frankreich eine kleinbürgerliche Republik, Der Kanzler ist hier auch nicht der Präsident, sondern ist kulturell anders eingebettet.
Momentaufnahmen
Der Aufwind, den die Union unter Merkel erlebt, sieht er nur als kurzes positives Momentum: „Es wird am Ende der Krise eine Diskussion über den Verteilungskonflikt innerhalb der EU geben: Wer bezahlt für den wirtschaftlichen Schaden? Und da werden sich die Rechtspopulisten mobilisieren im Sinne von: Wir müssen unsere nationale Wirtschaft wieder auf Trab bringen. Dann heißt es Germany oder Austria first.“
Dass sich das derzeitige Hoch nicht immer in Wählerstimmen ummünzen lässt, glaubt auch der Salzburger Politologe. „Das sind Momentaufnahmen“, sagt Heinisch; und bei autoritären Figuren wie Putin kann sich das auch schon mal ins Gegenteil verkehren. Der russische Präsident kämpft gerade mit den schlechtesten Umfragewerten seit Langem – wohl, weil er dem Image als starker Führer gerade nicht gerecht wird.
Trump würde Heinisch daher nie einen Wahlgewinn im Herbst prognostizieren. Ein Fiasko hat da einst Winston Churchill erlebt, der als Kriegspremier beliebt war wie kein anderer – und 1945 trotzdem die Wahlen verlor.
Davor braucht sich Boris Johnson derzeit wenigstens nicht zu fürchten. Er, der sich selbst in die Tradition Churchills stellt und sogar ein Buch über ihn verfasst hat, hat regulär erst 2024 die nächste Wahl zu schlagen.
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