In einer ersten Reaktion insinuierte Staatsoperndirektor Bogdan Roščić, dass die Gründe für Jordans Abrechnung andere gewesen seien – „er wollte seinen Vertrag gerne verlängern“, was aber aus anderen Gründen nicht möglich gewesen sei. Doch nur ein beleidigter Dirigent, der um sich schlägt?
Jordan reagierte noch einmal mit einer Klarstellung: Er habe nicht im geringsten die Staatsoper kritisiert und außerdem viel Zuspruch aus dem Haus bekommen? Also was jetzt?
Allein die Debatte über Chronologie und Deutungshoheit zeigt, wie falsch die Diskussion läuft. Es sollte eigentlich um nichts geringeres als um die Zukunft der Oper gehen, nicht um Personen oder Intrigen. Allerdings wird – wie bei fast jedem Thema heutzutage – lieber mit Schubladendenken agiert und lustvoll das Gegeneinander zelebriert. Das ist kein Dis-, sondern ein Meinungskonkurs.
Kurz zu den Fakten: Jordan hat einen Vertrag bis Sommer 2025. Er hat angekündigt, ihn zu erfüllen. Insofern ist das in Wien so beliebte vorzeitige Abschießen von Kulturschaffenden müßig. Einen Rechtsstreit wird ja hoffentlich niemand riskieren, daher sollte Jordan wie geplant weitermachen, zunächst mit der Premiere von Wagners „Meistersinger“, deren Proben er kommende Woche aufnimmt. Aus dem Haus hört man übrigens, dass der Konflikt vor einiger Zeit rund um ein (mittlerweile verworfenes) Regiekonzept für dieses Werk eskaliert sei. Da hat Jordan nämlich völlig recht: Beim Regie-Handwerk ist Professionalität zunächst das Entscheidende.
Das soll jedoch nicht bedeuten, dass der Weg zurück richtig wäre, im Gegenteil. Wo sind die Regisseure, die heute eine Synthese aus neuer Interpretation und musikalischer Ernsthaftigkeit schaffen? Wer kann ohne Abrissbirne vermittels alter Werke Relevantes über unsere Gesellschaft erzählen? Darüber sollte man diskutieren, gern divergierend, aber konstruktiv im Sinne eines Instituts, das nach wie vor Weltrang hat und ihn seit der Zeit von Dominique Meyer wieder gestärkt hat.
Oper war stets im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, Reibung ist ihr immanent. Und durchsetzen wird sich langfristig immer, wer die besseren Argumente hat und nicht, wer lauter buhen kann. Die „Meistersinger“ wären das richtige Werk, um diese Debatte zu führen.
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