Corona, die Politik und das Prinzip Hoffnung

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Beim Krisenmanagement der Regierung lief zuletzt vieles unrund. Auch die jüngsten Maßnahmen werfen Fragen auf.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

„Es wird wieder ernst“ – das Eingangsstatement von Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Pressekonferenz am vergangenen Freitag ist das Leitmotiv der kommenden Monate: Periodisch wiederkehrend, laufend aktualisiert und adaptiert wird es uns durch den Herbst und Winter begleiten.

Die Situation hat etwas Beklemmendes. Im Unterschied zum Frühjahr sind wir, erstens, schon durch die Ereignisse der letzten sechs Monate zermürbt; und zweitens steht jetzt eben nicht die warme Jahreszeit mit all ihren Annehmlichkeiten und auch epidemiologisch günstigen Rahmenbedingungen vor der Tür.

Die Regierung weiß das alles und muss dennoch versuchen, durchzunavigieren: dafür sorgen, dass sich nicht Acht- und Sorglosigkeit immer mehr ausbreiten – und die Stimmung dennoch nicht kippen lassen. Die Rede vom „Licht am Ende des Tunnels“ hatte genau diesen Zweck, beides zu verknüpfen. Der Tunnel scheint freilich im Moment wieder recht lang, das Licht noch weit entfernt.

Jenseits des Symbolischen hat die Regierung beim Krisenmanagement zuletzt nicht eben geglänzt. Die Corona-Ampel steht exemplarisch für mannigfaltige Irritationen. Es stellt sich zunehmend auch die Frage, ob ein Monsterressort für „Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz“ die adäquate Struktur für eine Pandemie ist. Rudolf Anschober wäre als Gesundheitsminister allein gewiss hinreichend ausgelastet.

Auch die gravierendste der am Donnerstag verkündeten Maßnahmen wirft Fragen auf: Private Feiern in Innenräumen werden auf zehn Personen beschränkt. Dass das sinnvoll ist, soll nicht bezweifelt werden. Aber Kurz räumte selbst ein, dass das für die eigenen vier Wände aus verfassungsrechtlichen Gründen nur eine Empfehlung sein kann. Die von ihm ausgedrückte Vermutung, die meisten Menschen lebten in Verhältnissen, die größere private Einladungen gar nicht möglich machten, ist ein wenig wirklichkeitsfremd. Nicht wenige waren wohl schon bei deutlich größeren privaten Runden zu Gast. Die Peinlichkeit um den zurückgezogenen Ostererlass kommt einem da wieder in den Sinn.

Bleiben Einschränkungen bei allen anderen Arten von Feiern sowie Verschärfungen für die Gastronomie und die generelle nochmalige Ausweitung der Maskenpflicht.

Letztlich aber sind die Mittel der Politik begrenzt. Sie muss nach dem Prinzip Hoffnung agieren: dass die von ihr immer wieder eingemahnte Eigenverantwortung auch wirklich gelebt wird; und dass sich, wie ebenfalls mantraartig wiederholt, die Lage nicht dermaßen entwickelt, dass ein zweiter Lockdown unausweichlich scheint. Dann nämlich stünden wir vor der Frage, ob wir mit Covid-19 nicht doch so leben müssen wie etwa mit der Grippe.

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