Brexit: Die Wut über den politischen Eiertanz

Die britischen Großparteien sind für ihr end- und zielloses Hin und Her abgestraft worden.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Großbritanniens Liberaldemokraten hatten in den letzten Jahren wenig Grund zur Freude. Seit sich die eigentlich traditionell linksliberale Partei 2010 auf eine Koalition mit den Konservativen eingelassen hatte, ging es für sie bei Wahlen nur noch bergab. Dass man jetzt nach den Lokalwahlen am Donnerstag als großer Gewinner dasteht, hat wenig mit den weiterhin eher verwaschenen politischen Konturen der Truppe von Polit-Veteran Vince Cable zu tun, sondern einzig und allein mit einer grundsätzlichen Haltung: Pro-Europa!

Kein klarer Europakurs

Wer britische Innenpolitik verfolgt, weiß, wie viel Gegenwind die Liberaldemokraten im grundsätzlich europaskeptischen Großbritannien für diese Haltung in den letzten Jahrzehnten bereits aushalten mussten. Schließlich konnte sich ja einst nicht einmal die Labourpartei unter Tony Blair wirklich zu einem klaren Ja zu Europa durchringen. Doch seit das Brexit-Schlamassel die britische Politik gänzlich in Beschlag genommen hat, sind die Liberaldemokraten die einzige Partei, die dabei nicht längst Haltung und Gesicht verloren hat.Theresa May hat sich seit dem Brexit-Referendum 2016 de facto von ihren antieuropäischen Brexiteers rund um zweifelhafte Figuren wie Boris Johnson und Jacob Rees Mogg vorführen lassen. Ihr Plan, das Land einigermaßen geordnet aus der EU zu führen, ist gescheitert, die Konsequenzen weiterhin unabsehbar.

Die Pro-Europäer frustriert

Labour-Parteichef Jeremy Corbyn hat seine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber der bösen kapitalistischen EU nie wirklich abgelegt. So führte er seine Partei auf einen Brexit-Schlingerkurs, der eigentlich nur Corbyns eigentliches politisches Anliegen vorantreiben sollte, Neuwahlen. Dabei ist es dem oft recht altbackenen Linken meisterhaft geglückt, vor allem die Pro-Europäer in seiner Partei endgültig zu frustrieren.

Demokratisches Versagen

Die Rechnung für all das haben die Wähler jetzt den beiden Parteien aufgetischt. Sie verlangen von der Politik eigentlich nur das, was in einer repräsentativen Demokratie selbstverständlich sein sollte, Entscheidungen zu treffen und diese auch umzusetzen. Bei den EU-Wahlen in drei Wochen, an denen Großbritannien wohl teilnehmen wird, wird die Rechnung wohl ähnlich schmerzhaft für die beiden Großparteien werden. Nur dann kommt ein neuer alter Mitbewerber in Spiel, Nigel Farage mit seiner neu gegründeten Brexit-Partei. Bei den jetzigen Lokalwahlen hatte Farage das Lager der militanten Europagegner seiner ehemaligen Partei der UKIP überlassen. Nur dass die inzwischen so weit nach Rechtsaußen gerückt sind, dass sie für die meisten Briten offensichtlich unwählbar geworden sind. Bei den EU-Wahlen wird dann Farage als Kreuzritter zur Rettung des Brexit anrücken und die Denkzettel-Stimmen der Briten einsammeln. Großbritannien, das sich ja selbst immer stolz als Wiege der Demokratie  versteht, inszeniert seit einigen Jahren ein schauriges Lehrstück über deren Scheitern.

 

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