Immer gegen die Deutschen!

Immer gegen die Deutschen!
Sie spielen gut, und sie haben gar kein Glück. Und dennoch sollen sie bitte nicht Europameister werden. Oder?
Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Seit ich Fußball denken kann, bin ich gegen England. Denn seit Jahrzehnten erklären mir so genannte Experten vor jedem großen Turnier, warum die Engländer diesmal aber wirklich zum Favoritenkreis gezählt werden müssen. Und seit Jahrzehnten erklären mir die gleichen Experten nach jedem großen Turnier, warum die Engländer diesmal aber wirklich keine Chance gehabt hätten.

1966, einige Jahre vor meiner Geburt, wurden sie im eigenen Land Weltmeister. Das war`s. Seit damals erreichten sie nicht einmal mehr ein Endspiel, das sie hätten verlieren können.

Was unter anderem mit der offenbar naturgegebenen Unfähigkeit, Elfmeter schießen zu können, zusammenhängt. Ich frage mich nur immer: Warum versuchen die Engländer nicht mit aller Kraft, das gefürchtete Shoot-Out zu vermeiden? Warum nehmen sie nicht volles Risiko, um vor dem Abpfiff die Entscheidung herbeizuführen? Warum lassen sie es alle Jahre wieder auf etwas ankommen, was sie auf traumatische Weise nachweislich nicht beherrschen?

Klischees des deutschen Fußballs

Es gibt in meinem Leben als Fußball-Fan nur ein Duell, in dem den Engländern meine Sympathien gehören. Wenn sie gegen Deutschland spielen. Nur ist diese Antipathie kaum rational zu begründen. Früher einmal konnte man sich wenigstens noch den klassichen Klischees als Bestandteil einer historischen Erbmasse, hingegeben. Ich bin aufgewachsen mit den allerorts propagierten Tatsachen: Die Deutschen können nur rennen, aber nicht spielen. Die Deutschen haben von der Auslosung bis zum Tor in letzter Minute immer das Glück. Und die Deutschen halten sich für das Maß aller Dinge, sind überheblich und arrogant.

Nur: Wenn es tatsächlich je gestimmt haben sollte, jetzt trifft von alldem nichts mehr zu. Die Deutschen haben eine junge, spielerisch überzeugende Mannschaft. Die Deutschen haben die schwerste Gruppe dieser EURO ohne nennenswertes Massel, statt dessen souverän gewonnen. Und die Deutschen verhalten sich nicht im geringsten großmäulig, geben sich respektvoll, analytisch klug und leidenschaftlich. In Deutschland ist die Begeisterung für den Fußball überall spürbar, vom Ersatzspieler bis zu den 500.000 Menschen, die sich in Berlin für jedes Match auf der Fanmeile versammeln.

Schadenfreude

Immer gegen die Deutschen!

Das ist eine objektive Erkenntnis. Gepaart mit der Tatsache, dass ich viele deutsche Freunde habe, die im Moment so glücklich sind, weil sie wieder stolz auf ihr Land und ihre erfolgreichen Youngsters sein dürfen.

Und dennoch will ich mich nicht mit ihnen freuen, ganz im Gegenteil, justament nicht. Ich will ihnen im Idealfall schadenfrohe SMS schreiben, will spotten und mich verspotten lassen, will diskutieren und streiten. Nein! Ich will ich nicht, dass Deutschland Europameister wird. Ich kann es nicht wollen, ich krieg`s nicht hin.

Nicht nur, weil ich seit jeher - in schlechten wie in guten Zeiten - mein Herz an Spanien verloren habe. Sondern weil ich mittlerweile weiß: Es braucht Polarisation, um den Fußball lebendig und Turniere in Spannung zu halten. "Möge der beste gewinnen" ist ein untadeliger Ansatz, aber fad.

Den Deutschen das Ausscheiden zu wünschen, ist daher keine Entscheidung, die im Kopf getroffen wird. Sondern ein Bauchgefühl. Das mag lächerlich sein. Oder armselig. Aber es macht Spaß. Daher: Forza Italia!       

 

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