Was wir aus der Debatte Klimek/Klenk lernen können

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Ein Facebookstatus des Fotografen Manfred Klimek wurde vom Falter zitiert, was dieser verurteilt. Ein hervorragender Anlass, die Schnittstelle Medien/Social Media einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.
Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Eigentlich sollten die spannenden Geschichten aus den Redaktionen geteilt und debattiert werden.

von Philipp Wilhelmer

über geistlosen Furor im Social Web

Der „Fall“ Klenk versus Klimek ist zwar für sich keine große Debatte wert, aber ein hervorragender Anlass, die Schnittstelle zwischen Berichterstattung und Social Media einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Worum ging es?

„Ich hätte gerne, dass es heute ordentlich brennt", hatte Manfred Klimek in einem Facebook-Status geschrieben, als am selben Tag in Wien der Schwarze Block wütete. Der Falter lieferte zu dem denkwürdigen Abend eine umfassende Reportage, die auch die Stimmungslage im Social Web zum Thema machte. Und Chefredakteur Florian Klenk zitierte darin diesen, Klimeks, Facebook-Status. Der Starfotograf schäumte und sieht sich unzulässig zitiert.

Was zwei Fragen aufwirft: Wann ist eine Äußerung öffentlich? Und wieviel Kontext muss ein Berichterstatter bieten, um die Tonlage des Posters einordnen zu können?

Im Fall Klimek tat er diese Äußerung vor einer Gruppe von mehr als 4500 Leuten, die er als Facebook-Freunde "geaddet" hat. Dass nicht jeder ein privater Freund von ihm ist, darf man bei dieser Masse von Kontakten zurecht unterstellen. Zumindest einer ist kein persönlicher Bekannter von ihm: Ich habe Klimek im Laufe der Jahre irgendwann geaddet, ohne ihm jemals persönlich begegnet zu sein. Auch online beschränkte sich unser Verhältnis darauf, dass ich seine Postings meist vergnügt las und manchmal "Like" gedrückt habe. Von einem intimen Kreis zu sprechen, wäre also wohl vermessen, vor allem, wenn man sich als Medienmacher betätigt und als solcher auch öffentlich auftritt.

Wer Teil des öffentlichen Diskurses sein will oder aus beruflichen Gründen sein muss, tut gut daran, sich dieser Rolle auch bewusst sein, auch im Social Web. Anders argumentiert: Wäre Klimek in einer Großraumdisco voller leidlich oder kaum Bekannter auf die Bühne getreten und hätte „ Wien soll brennen" ins Mikro geschrien, hätte der eine oder andere Journalist in der Menge sich Notizen gemacht und dies zurecht zumindest in eine Reportage einfließen lassen können.

Kontext

Was zur zweiten Frage führt: Kontext. Klimeks Facebook-Seite ist auch deswegen ein sehr frequentierter Ort, weil er ein exaltierter Polterer ist. Klimek schimpft über die Bahn, die Politik, die Gesellschaft und über Themen, die ihm am Herzen liegen. Er tut das in einer überzeichneten Hysterie, die sich nur aus dem Gesamtbild seines Facebook-Profils erschließen lässt. „Ich hätte gerne, dass es heute ordentlich brennt“, ist ein Satz, der für sich genommen jenseitig ist, aber im Kontext eines manischen Übertreibers doch deutlich an Schärfe verliert. Dass sich Klimek nun also zu unrecht zitiert fühlt, kann man ihm nachfühlen. Um das Beispiel der Großraumdisco noch einmal zu bemühen: Hätte Klimek den Satz vor demselben Publikum, aber im Rahmen eines Kabarettabends fallen gelassen - er wäre nicht der Rede wert gewesen.

Wasser auf die Mühlen

Allein: All das nutzt wenig. Und das liegt weder an Klimek noch am Falter, sondern an den unscharfen, inkonsequenten und ratlosen Methoden, mit denen sich moderne Journalisten an das Social Web annähern. Wurde das peinliche Facebook und das komplizierte Twitter jahrelang leidenschaftlich als Zeitverschwendung und jugendlicher Schwachsinn abgetan, sind heute die Einzeiler aus Twitter und Facebook geradezu Wasser auf die Mühlen derer, die sich schon bisher damit durchschlugen, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate als zentrale (und oft einzige) Botschaft in großer Aufmachung zu bringen – man führe sich nur die Vernachlässigung jedweden Kontexts in der Berichterstattung von Politik bis Sport und Society vor Augen. (Dass ausgerechnet der in dieser Hinsicht vorbildliche Falter sich in so einer Debatten wiederfindet, ist eigentlich eine Ironie der heimischen Mediengeschichte.)

Affekt-Klicken

Die Aufmerksamkeitskonkurrenz in Onlinemedien macht es den Verantwortlichen auch nicht unbedingt leichter, einen Schritt hinter die Nachricht zu treten, sie sanft zu nehmen und in den Kontext zu setzen.

Einerseits ist das so, weil die Menschen nun einmal im Affekt klicken (deswegen gehen Nackte und Halbnackte im Web immer besser als die klügste Analyse) und andererseits, weil das redaktionelle Selbstbewusstsein gerade in den unterbezahlten digitalen Redaktionsstuben noch weniger vorhanden ist als im Rest der immer ausgedünnteren Medienlandschaft. Dass der aggressive Boulevardton und Viralitätseifer der digitalen Welt auch auf Zeitungen, Fernsehen und Radio zurückreflektiert, ist auch kein Wunder: Journalisten kämpfen um Aufmerksamkeit. Und die erlangt man nicht mit vornehmer Zurückhaltung.

Dass Redaktionen das Geschnatter auf Social Media leidlich einordnend neuerdings zu echten Nachrichten umdeuten, wirft jedenfalls ein schlechtes Bild auf die Branche im Allgemeinen: Eigentlich sollten die spannenden Geschichten aus den Redaktionen von begeisterten oder empörten Lesern geteilt und debattiert werden und nicht der oft geistlose Furor, der in den Gängen des Social Web dahingebrüllt wird, als Berichterstattung verkauft werden.

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