Das große Aufräumen

Das große Aufräumen
Polizei schätzt Schaden durch Krawalle auf eine Million Euro.

Christina Windisch ließ den Kunden in der unteren Etage stehen und sprintete hinauf. Soeben war eine Auslage des Küchenbedarf-Geschäfts WMF am Stephansplatz zu Bruch gegangen. Jetzt hieß es – Schadensbegrenzung. Vor dem Geschäft, erzählt die 25-jährige Filialleiterin, wüteten gewaltbereite Demonstranten: Sie plünderten einen Geschirr-Stand, bewarfen Polizisten mit Kochtöpfen. Windisch: „Wir haben dann schnell zugesperrt.“

Es war einer mehrerer Gewaltexzesse, die am Freitagabend die Demonstrationen gegen den umstrittenen Akademikerball der FPÖ begleiteten. 6000 Menschen waren laut Polizei unterwegs, viele davon friedlich. Am Stephansplatz ließen Gewaltbereite die Situation eskalieren. Mistkübel wurden als Wurfgeschoße gegen Polizisten und Geschäfte eingesetzt, Auslagen gingen zu Bruch.

„Zweieinhalb Scheibtruhen Glassplitter“ karrte ein Arbeiter vor einer Edel-Boutique weg. Handwerker schlossen im Nobel-Lokal Schwarzes Kameel eingedroschene Scheiben mit Folien.

Vom Gewaltausbruch war auch der Nobel-Juwelier Heldwein betroffen. Chef Anton Heldwein war bereits am Heimweg, als die Alarmanlage anschlug. Unbekannte hatten die Panzerglas-Auslage demoliert. Sie hielt zwar stand, ist aber gänzlich gesplittert. „Das ist meine wichtigste Auslage. Natürlich sind das geschäftliche Einbußen für mich.“ Den Schaden beziffert er auf bis zu 3000 Euro. Ganz Geschäftsmann, betonte er aber, dass „der Betrieb ungestört weiterläuft“.

Noch gibt es keine genaue Schadenssumme: Die Exekutive schätzt sie auf über eine Million Euro. „Wir warten noch auf die Nachmeldungen“, erklärte Polizeisprecher Roman Hahslinger.

Das große Aufräumen
Generell aber habe er nichts gegen Demonstrationen, so Strache - hier nochmals eine Grafik der Zone rund um die Hofburg, wo ein Platzverbot galt.

Zögerlich meldeten sich am Samstag immer mehr Pkw-Besitzer, deren Scheiben und Spiegel demoliert wurden. Unvollständig ist auch die Liste an zerstörten Auslagen. Alleine die Exekutive beklagte elf beschädigte Pkw, ruinierte Ausrüstungsgegenstände sowie Sachschäden an der Inspektion Am Hof.

„Hunderten Anzeigen“ sind laut Hahslinger erstattet worden: Mit Stand Samstagnachmittag lagen 176 Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vor, 70 gegen das Vermummungsverbot. Wochenlang dürften die Ermittlungen noch andauern: Beamte müssen nun das während der Demo angefertigte Videomaterial nach Verdächtigen sichten.

Großer „harter Kern“

Eine große Herausforderung war es laut Exekutive, die „gewaltbereiten Vermummten von den friedlichen Demonstranten zu trennen“. Der „harte Kern“ – also jene gewaltbereiten Personen, die für einen Großteil der Krawalle verantwortlich sind – sei Hahslinger zufolge mit „mehr als 200“ Personen größer als in den vergangenen Jahren gewesen. Selbst „einige“ deutsche Anarchos fanden laut Hahslinger den Weg nach Wien. Auffällig sei gewesen, dass viele „nicht vermummte“ diesen harten Kern unterstützt hätten, sagte Hahslinger.

Den Tag danach bestimmten Schuldzuweisungen: FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ortete „Gewaltexzesse der linksfaschistischen Stiefeltruppen“. Niki Kunrath von Bündnis „Jetzt Zeichen setzen“ kritisierte die „Platzsperre“ als Fehlentscheidung. Um eine „Differenzierung bat Alexander Pollak von „SOS Mitmensch“: Die scharf zu verurteilenden Gewaltexzesse hätten viele Tausend friedliche Demonstranten zu Unrecht in Misskredit gebracht.

Randale in der Innenstadt

Die Bilder der Gewaltexzesse waren wahrlich keine Tourismuswerbung; sie waren auf den ersten, schnellen Blick auch kaum von den Protesten in Kiew zu unterscheiden.

Wundern darf sich darüber niemand. Wenn man die Hofburg und den Heldenplatz, so symbolträchtige Orte im Herzen der Republik, einem Treffen deutschtümelnder Ewiggestriger zur Verfügung stellt, wird das international mit einem Naserümpfen quittiert. Als Folge setzt ein Demonstrations-Tourismus ein, der Wien eben jene Chaoten beschert hat, die nur um der Randale willen anreisen. Aus dieser Sicht waren die polizeilichen Maßnahmen – mit Ausnahme des nicht akzeptablen Aussperrens der Journalisten – berechtigt, um die Ballgäste zu schützen.

In der Hofburg hat die Politik zurzeit keine Handhabe, einschlägige Veranstaltungen zu verhindern, während sich die Betriebsgesellschaft auf den – bequemen – neutralen Standpunkt zurückzieht. Doch Politik spielt sich nicht nur zwischen Paragrafen ab, sondern hat eine gewichtige symbolische Komponente. Solange diese von Ewiggestrigen auf der einen Seite und linken Gewalttätern auf der anderen Seite dominiert wird, wird Wien weiter jedes Jahr für internationale Negativ-Schlagzeilen sorgen.

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