Aus der Krise lernen statt Rache üben

Aus der Krise lernen statt Rache üben
Österreich im Ausnahmezustand: In der nächsten Legislaturperiode sollte man Lehren daraus ziehen und Staatsreformen wagen.
Martina Salomon

Martina Salomon

Man will das Wort „Staatskrise“ eigentlich nicht in den Mund nehmen. Aber: Wir sind gerade Zeugen eines Ausnahmezustands. Die FPÖ will der Regierung wegen der „Entlassung“ ihres Innenministers nicht mehr angehören. Statt der blauen Minister ziehen Experten ein. Ein Novum. Auch wenn der Bundespräsident nun Stabilität einmahnt, spielt doch jede Partei bereits ihr Wahlkampfspiel. In dieser Situation kann man nur an die Staatsverantwortlichkeit der Parteien appellieren: Rachegefühle sollten kein politisches Motiv sein. Das Experiment einer blauen Regierungsbeteiligung neuerlich im Chaos enden zu sehen, ist ja für viele im In- und Ausland – auch für etliche Alt-ÖVPler – eine Genugtuung.

Bei der Nationalratssondersitzung am Montag wird es einen Misstrauensantrag der (Sternschnuppen-)Liste „Jetzt“ gegen den Kanzler geben. Sowohl FPÖ als auch SPÖ haben ein Motiv, diesen zu unterstützen. Beide Parteien fühlen sich von Kurz gedemütigt. Auch sein eigener Sturz ist daher nicht ausgeschlossen. Zwei Großparteien in der Krise – keine beruhigende Aussicht für künftige Regierungen. Denn auch die SPÖ hat sich nach dem Abgang von Christian Kern in Wahrheit noch nicht stabilisiert. Die Grünen müssen sich sowieso erst neu sortieren. Nur die Neos wirken nach einem eher aggressiven Zickzack-Kurs stabiler und verantwortungsbewusst. Und die FPÖ? Sie muss auf der Oppositionsbank an einer echten Neugründung arbeiten, braucht eine Katharsis. In den nächsten sechs Monaten bis zur Bildung der neuen Regierung droht dem Land Stillstand. Leider liegt jetzt auch die Trägheit endloser Fristen wie Blei auf der Politik.

Die Zeit zwischen Koalitionsbruch und Wahl ist zu lang. Vier Wochen wären genug. Warum nicht wenigstens im August wählen, was ja sogar jetzt möglich ist? In Zeiten der Briefwahl wohl kein Problem.

Nach diesen Tagen wünscht man sich mehr denn je Staatsreformen an mehreren Fronten. Neben dem verkürzten Fristenlauf für eine Wahl auch endlich ein Mehrheitswahlrecht: damit Klarheit statt fauler Kompromisse und wackeliger Koalitionen herrschen. Politischer Wechsel würde wie in Skandinavien ganz normal. Dort spielt auch die Opposition eine konstruktivere Rolle.

Es braucht weiters eine wirklich transparentere Parteienfinanzierung. Während eines Wahlkampfes sollte es außerdem nur Parlamentsbeschlüsse zur Aufrechterhaltung des politischen Betriebes geben – und nichts, was das Budget über die Legislaturperiode hinaus belastet. Also kein Feuerwerk an Wahlzuckerl mehr.

Alles Aufgaben für die nächste Legislaturperiode, wo möglicherweise wieder eine große Koalition herrschen wird. Aber so, wie sie sich davor mühselig und mit wechselseitigem Misstrauen hingeschleppt hat, ist eine Neuauflage extrem schwierig. (Was man ja auch in Deutschland studieren kann.) Für die Republik wäre es heilsam, wenn Rot und Schwarz wieder respektvoller miteinander umgehen könnten – egal, ob sie sich nun in einer Koalition befinden, oder nicht.

Ja, das ist eine schwere Krise. Hoffen wir, dass keine echte Staatskrise daraus wird.

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