Endgültiger kann man sich nicht vor der Zeit aufgeben. Freilich: Bei einem Eingriff, der nicht lebensnotwendig ist, wird man abwägen, dass es ein Operationsrisiko gibt, man wird sich überlegen, ob man einen Spitalsaufenthalt in Kauf nehmen möchte. Auf der anderen Waagschale liegen die wiedergewonnenen Freuden, Musik nicht nur über Kopfhörer „aus der Konserve“ hören, dem Zauber des Theaters erliegen und der Konversation am Freundestisch lückenlos folgen zu können. Eigentlich eine ganz klare Entscheidungssituation. Der schreckliche, der verstörende Satz „Das zahlt sich nicht mehr aus“ heißt demnach etwas anderes. Er heißt wohl eher: Wozu noch etwas ändern für die letzte Wegstrecke, es ist ja eh bald alles vorbei. Lebensqualität, Lebensfreude haben einen Preis, der sich „nicht mehr“ auszahlt?
Dieser Satz, den wir alle viel zu oft hören (und auch sagen), ist eine Falle. Eine selbstgestellte Falle, mit der wir letztendlich das unserer Generation zugewachsene Geschenk der vielen guten alten Jahre schmälern, fast schon zurückweisen. Und seien wir ehrlich: Wenn uns jemand sagen würde „Das zahlt sich in Ihrem Alter nicht mehr aus“, würden wir zu Recht gegen einen solchen Übergriff aufbegehren. Warum zögern, eine neue Matratze zu kaufen, damit man wieder erholsamen Schlaf findet und morgens schmerzfrei aufsteht? Zögern mit dem Eingriff, der wieder sehen, hören, gehen lässt? Selbst mit so einer Lächerlichkeit wie dem roten Hütchen, das man immer schon so gerne gehabt hätte? Sich heute für morgen entscheiden – wie lange dieses Morgen auch dauern mag.
Martin Luther soll gesagt haben: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Bäumchen pflanzen.“ Einen Baum zu setzen, das ist unverbrüchliche Hoffnung auf ein Morgen. Aber ein Bäumchen zu sehen, das ist auch Freude. Und Freude zahlt sich aus, auch wenn sie nur mehr einen Tag lang dauert.
Wer sagt uns denn, dass morgen alles vorbei ist oder in einem Monat oder in drei Jahren? Also nichts wie weg mit Satz-Fallen, mit denen wir uns selbst in die Freudlosigkeit verdammen. Irgendwann ist es ohnehin vorbei mit der Lebensfreude. Aber bis dahin zahlt es sich aus, alles dafür zu tun. Auch wenn die Welt morgen untergeht.
altnaund@kurier.at
Ruth Pauli ist alt (69) und lebt und schreibt gerne. Früher war sie lange Jahre innenpolitische Kolumnistin beim KURIER.
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