Unzufrieden mit der Darstellung
Ein schwuler Mann mit türkischem Migrationshintergrund - zwei Umstände, die in seinem Leben eine große Rolle spielen sollten. „Schon in meiner Arbeit bei der Versicherung setzte ich mich für die Community ein. Damals umfasste das Modell für Lebensversicherungen etwa nur das klassische Familienmodell: Mutter, Vater, Kind. Wir führten auch Optionen für gleichgeschlechtige Paare ein“, erinnert er sich. Auf der anderen Seite bediente er auch die türkische und muslimische Zielgruppe. „Ich habe mich lang auch mit Scharia-konformen Lebensversicherungen beschäftigt und hatte viel mit Strenggläubigen zu tun“, so Kurtulmus. Moslem und schwul sein, das steht für ihn nicht im Widerspruch. „Wer sagt denn, dass das nicht gehen soll?“
Doch irgendwann wollte der Mann, der auf seiner ersten Pride Parade mit einem Glitzer-T-Shirt marschierte, auf dem eine türkische Flagge aufgedruckt war, nicht mehr ständig im Anzug herumrennen. Nach einer zweijährigen Pause, die mit Reisen gefüllt war, sollte etwas Kreatives her. So gründete Kurtulmus im selben Jahr nicht nur den Verein MiGaY, welcher sich für queere Migrant:innen einsetzt, sondern auch das Transition International Queer & Minorities Film Festival.
„Ich ging schon immer gerne auf Filmfestivals. Aber mit der Darstellung von queeren Menschen aus migrantischen Communitys dort, Menschen wie mich, war ich nie zufrieden. Die war immer traurig. Eine, wo Schwule oder Lesben zwangsverheiratet oder umgebracht werden. Dabei gibt es auch viele andere Erzählungen“, so Kurtulmus. Das weiß er aus eigener Erfahrung.
Denn queer und migrantisch zu, das sei auch innerhalb der LGBTQ Szene nicht immer einfach. „Auch dort muss man sich manchmal den Raum erkämpfen. Mit einem Gleichgesinnten zu reden, der die gleiche Sprache spricht, den gleichen kulturellen Background wie man selbst hat, ist wahnsinnig bereichernd. Ich weiß noch als ich 2009 das erste Mal bei dem Kongress der türkischstämmigen Homosexuellen in Berlin war und mir dachte: Die sind alle so wie ich. Wir haben alle die gleichen Probleme mit der Familie, der Religion, den Freunden.“
"Würde gerne selbst Pornos produzieren"
Heuer feiert das Transition International Queer & Minorities Film Festival seine zehnte und letzte Ausgabe. „In den letzten Jahren hat sich viel getan. Es gibt mittlerweile sehr viele solcher Filmfestivals. Ich glaube, man braucht diese Trennung auch nicht mehr unbedingt“. Der nachkommenden Generation sei das alles nicht mehr so wichtig, da zähle nicht, woher man kommt. „Und irgendwo möchte ich auch nur mal ich sein. Nicht der schwule Türke, nicht der Porno-Typ, sondern einfach Yavuz“.
Die Sache mit den Pornos habe sich ergeben. „Bei dem Queer Migrant Film Festival begannen wir auch irgendwann Filme mit mehr sexuellen Inhalten zu zeigen. Das kam megagut an“, erinnert sich der Kurator. So entstand die Idee zum Österreichs ersten Pornofilm-Festival. 2018 fand das Debüt unter dem Motto „What is Porn“ in Wien statt.
In Zukunft möchte Kurtulmus auch selbst mit Kurzfilm experimentieren. „Ich würde gerne auch Pornos produzieren. Und dabei mit Religion spielen. Wobei, mal schauen, ein bisschen Angst habe ich davor schon“, gesteht er. Ein anderer, gewagter Traum von Kurtulmus wäre es auch, ein Porno Film Festival in Istanbul zu machen. „Aber in der Türkei ist das öffentliche Zeigen von Pornos strafbar. Und ich bin türkischer Staatsbürger. Also könnte das gefährlich werden“, sagt Kurtulmus. Wie einer, der sich von sowas aufhalten lässt, wirkt er nicht.
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