Was Experten empfehlen: Wie des Zusammenleben in Wien funktionieren kann
Sein bereits 6. Statement stellte am Montagvormittag der Wiener Integrationsrat (W.I.R.) vor. Darin wird der gesellschaftliche Zusammenhalt in der immer diverser werdenden Hauptstadt in den Mittelpunkt gerückt.
Menschenrechte und Pluralität - das sind laut dem 10-köpfigen Integrationsrat unverzichtbare Elemente einer demokratischen Stadtgesellschaft. Zu diesem Entschluss sei man nach einer sogenannten Integrationsfachtagung, bei der man sich mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Praxis zur Thematik ausgetauscht hatte, gekommen.
Wiederkehr: "Zusammenleben gelingt nur, wenn sich alle an gemeinsame Regeln und Werte halten"
Nachdem fast die Hälfte der in Wien lebenden Menschen einen Migrationshintergrund hat, biete diese Pluralität Chancen, bringe jedoch auch Herausforderungen mit sich, heißt es. Unterschiedliche Weltbilder, kulturelle Bindungen und soziale Normen erfordern verbindliche Prinzipien für das friedvolle und respektvolle Zusammenleben. "Menschenrechtsbasierte Werte bieten den gemeinsamen Nenner, den eine diverse Stadtgesellschaft benötigt. Gruppenspezifische Abwertungen und Polarisierungen - egal von welcher Seite - können nur durch gezielte Prävention und Förderung des Dialogs überwunden werden", erklärte Kenan Güngör, Soziologe und Mitglied des W.I.R., bei der Präsentation des Statements im Wiener Rathaus.
Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr pflichtete ihm bei: "Wien steht vor der Aufgabe, für ein gutes Zusammenleben in einer sehr diversen Gesellschaft zu sorgen. Dies gelingt nur, wenn sich alle an gemeinsame Regeln und gemeinsame Werte halten. Menschenrechtsbasierte Werte wie Menschenwürde, Pluralismus und Demokratie sind unverzichtbar, um Teilhabe zu stärken und Polarisierungen entgegenzuwirken."
Laut Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin und Mitglied des W.I.R., verstehe sich das 6. Statement als wissenschaftlich fundierter Beitrag zu aktuellen Debatten über Identität und Zusammenleben. Aber: "Wir möchten nicht nur Probleme aufzeigen, sondern auch Lösungsansätze entwickeln, die die Vielfalt Wiens stärken."
Daher sind in dem neuen Statement klare Handlungsempfehlungen formuliert, und zwar:
- Demokratie- und Ethikunterricht: Mehr Fokus auf Demokratiebildung in Wiener Schulen soll Toleranz, Gleichberechtigung und interkulturelles Verständnis fördern.
- Gruppenübergreifende Begegnungen: Soziale Räume für Austausch und Dialog zwischen unterschiedlichen Communitys sollen ausgebaut werden.
- Stärkung der Elternarbeit: Workshops und Dialogformate für Eltern sollen entstehen, um demokratische Werte und Respekt zu vermitteln.
- Verantwortung der Communitys: Migrantische Communitys sollen gezielt in die Förderung des sozialen Zusammenhalts eingebunden werden.
2 neue Projekte im Bildungsbereich
Das Bekenntnis zu Demokratie und Pluralismus soll schon bei Kindern und Jugendliche gestärkt werden, daher setzt die Stadt Wien ab 2025 zwei Projekte im Bildungsbereich um:
- Zertifizierung der „Demokratieschule Wien“: Mit dem Zertifikat „Demokratieschule Wien“ fördert die Stadt Wien eine demokratische Schulkultur, in der Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern aktiv an Entscheidungen beteiligt sind. Die Schulen durchlaufen zunächst eine Selbstevaluierung, um Stärken, Schwächen und konkrete Bedarfe in den Bereichen Partizipation, Kommunikation, Vielfalt & Inklusion, Politische Bildung und Schulgemeinschaft zu identifizieren. Basierend darauf entwickeln sie gemeinsam mit Expert*innen einen individuellen Aktionsplan. Die Umsetzung wird durch Workshops, Materialien, Begleitung und Vernetzung durch den Verein Wiener Jugendzentren unterstützt. Nach erfolgreicher Umsetzung der Maßnahmen erhalten die Schulen das Zertifikat „Demokratieschule Wien“. Das Projekt startet im Schuljahr 2025/26 an fünf Wiener Pflichtschulen.
- Überarbeitung des Bildungsplans Kindergarten: Der Wiener Bildungsplan wird überarbeitet, um Demokratiebildung weiter zu stärken. Demokratie prägt alle pädagogischen Inhalte und Handlungen: Kinder werden ermutigt, ihre Meinungen einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und andere Perspektiven wertzuschätzen. Der neue Bildungsplan wird unter Einbindung von Expert*innen und privaten Trägerorganisationen entwickelt und legt besonderen Fokus auf Sprache, Inklusion, Demokratie und Kinder unter 3 Jahren. Er soll im Sommer gesetzlich verankert und mit praxisnahen Handreichungen ergänzt werden, um neben anderen Schwerpunkten in der elementaren Bildung besonders auch die Werte einer demokratischen Gemeinschaft im Kindergartenalltag nachhaltig zu fördern.
Kommentare