Srebrenica in Mauthausen: Die Bürde der Verarbeitung eines Genozids

Die Präsidentin der Vereinigung "Mütter Srebrenicas" Fadila Efendić an der Klagemauer
Eine Delegation aus Bosnien-Herzegowina stattete der Gedenkstätte in Oberösterreich einen Besuch ab.

Wem steht es zu, Vergleiche zwischen zwei Genoziden zu ziehen? Wohl am ehesten, jemandem, der zu den Opfern eines Genozids zählt. Jemandem wie Šehida Abdurahmanović

Die 67-Jährige aus Srebrenica hat beim Massaker im Juli 1995 nahezu alle ihre männlichen Verwandten, einschließlich ihres Mannes, verloren. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag war Abdurahmanović eine der Zeuginnen gegen den Oberbefehlshaber der bosnisch-serbischen Armee Ratko Mladić. Am Montag war sie Teil einer kleinen Delegation aus Srebrenica, die die KZ-Gedenkstätte Mauthausen besuchte. 

Wie lange das Konzentrationslager offen gewesen sei und wie viele Menschen hier ums Leben kamen, wollte Šehida Abdurahmanović gleich zu Beginn der Führung wissen. 90.000 in sieben Jahren, gab man ihr zu wissen. "Bei uns waren es 8.000 in sieben Tagen", erklärte sie fast beiläufig und warf den Blick in die Ferne. 

Srebrenica in Mauthausen: Die Bürde der Verarbeitung eines Genozids

Die bosnischen Besucherinnen schauen sich Fotos aus der Zeit, als das KZ Mauthausen in Betrieb war, an. 

Parallelen zwischen den Gräueltaten

Šehida Abdurahmanović und drei weitere Vertreterinnen der Vereinigung "Mütter Srebrenicas" (Udruženje "Majke Srebrenice"), die sich auf den langen Weg Richtung Österreich gemacht haben, kann nach den traumatischen Ereignissen im Sommer 1995 kaum etwas erschüttern. Dennoch lässt Mauthausen an diesem verregneten Herbsttag die starken Frauen und weitere Mitglieder der bosnischen Delegation, die auch drei Geschichtsprofessoren sowie zwei Mitarbeiterinnen des Srebrenica Memorial Centers umfasst, nicht kalt. "Die Gräuel des Krieges sind überall gleich", stellt Fadila Efendić fest während sie mit ihrem Handy Fotos vom Denkmal für jugoslawische NS-Opfer macht.

Die Präsidentin der Vereinigung "Mütter Srebrenicas", die ihren Geburtstag lieber an einem anderen Ort verbracht hätte, verlor im Genozid einen Sohn, Ehemann und weitere 22 enge Verwandte. Trotzdem kehrte sie nur sieben Jahre danach nach Srebrenica zurück, wo sie nun einen kleinen Shop betreibt. Darin verkauft sie Souvenirs, die der Opfer des Massakers gedenken. Viele davon haben die "Blume Srebrenicas" als Motiv. 

Srebrenica in Mauthausen: Die Bürde der Verarbeitung eines Genozids

Die bosnische Delegation mit ihren Gastgebern

"Das Leugnen des Genozids ist ein weiterer Genozid"

Die weiß-grüne Blume, das Symbol Srebrenicas, trägt an diesem Tag auch Bernhard Mühleder, einer der Gastgeber der bosnischen Delegation. Mühleder, der selbst in der Nähe von Mauthausen das Licht der Welt erblickte, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Umgang und der Verarbeitung eines Genozids. Im Sommer machte er sich in Srebrenica erstmals ein Bild von der Lage. "Die Lage in Bosnien und Herzegowina macht einem die Verarbeitung des Genozids nicht gerade leichter", sagt Mühleder. 

Bei einem Gespräch, das in den ehemaligen Büroräumen der SS-Offiziere stattfindet, werden die Erfahrungen ausgetauscht. Die Mütter aus Srebrenica bemängeln das Fehlen der Bereitschaft speziell auf serbischer Seite, zu akzeptieren, was im Juli 1995 passiert ist. "Das Leugnen des Genozids ist ein weiterer Genozid", sind sie sich einig. 

Srebrenica in Mauthausen: Die Bürde der Verarbeitung eines Genozids

Šuhra Sinanović (li.) und Šehida Abdurahmanović von der Vereinigung "Mütter Srebrenicas"

Beharrlich bleiben

80 Jahre sind vergangen seit den Gräueltaten in Mauthausen, über die man heute offen spricht. Die bosnischen Gäste sind sich im Klaren, dass es in ihrer Heimat mindestens genauso lang dauern wird, bis die Wogen zwischen den ethnischen Gruppen geglättet sind. "Es mag genauso viele Jahrzehnte dauern, bis alle Menschen in unserem Land und darüber hinaus das Ausmaß des Völkermords in Srebrenica verstehen, aber wir werden nicht aufhören, darüber zu reden", sagen die Mütter Srebrenicas.

"Wir kommen nicht umhin, an das Verbrechen des Völkermords in Srebrenica erinnert zu werden. Wir haben ihn überlebt und wissen genau, wie schwer es ist, mit denen zu kämpfen, die leugnen, was sie vor 27 Jahren in Srebrenica getan haben, und was es bedeutet, nicht darüber zu sprechen", waren sich die bosnischen Gäste einig. Auf einen langen Kampf sind sie ohnehin vorbereitet:  "Wenn wir sehen, dass wir hier heute, acht Jahrzehnten nach den Gräueltaten, darüber reden müssen, um es nicht zu vergessen oder zu relativieren, ist uns klar, wie sehr wir in unserem Kampf für die Wahrheit über den Völkermord in Srebrenica beharrlich sein müssen".

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