Skandal in Kroatien: Vertuschte Ministerium den Tod eines behinderten 15-Jährigen?

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Das Magazin "Nacional" dürfte aufgedeckt haben, wie das Sozialministerium einen Todesfall in einem Rehabilitationszentrum bei Rijeka vertuschen wollte.

In Kroatien bahnt sich ein neuer Skandal an. Wie das Wochenmagazin Nacional berichtet, soll das kroatische Ministerium für Arbeit, Rentensystem, Familie und Soziales vor der Öffentlichkeit verheimlicht haben, dass am Abend des 27. September in einem Rehabilitationszentrum nahe Rijeka ein schwerbehinderter Minderjähriger gestorben sei.

Der 15-jährige Bursche soll an einem Stück Pizza erstickt sein. Zum Zeitpunkt des Todes soll er allein, also unbeaufsichtigt, in seinem Zimmer gewesen sein.  

Staatssekretärin: "Es kommt halt vor, dass Bewohner unserer Zentren sterben"

Einen Tag nachdem Nacional den Bericht zum tragischen Vorfall veröffentlicht hatte, berief das Ministerium eine außerordentliche Pressekonferenz ein. Vor die Presseleute stellte sich die zuständige Staatssekretärin Marija Pletikosa und erklärte, es habe keinen Vertuschungsversuch gegeben. Dem Todesfall scheint man keine besondere Bedeutung zugemessen zu haben. 

"Wir haben diesen Fall als einen ganz üblichen erlebt. Es kommt eben vor, dass Bewohner unserer Zentren sterben", sagte sie nüchtern und ergänzte, dass erst anonyme Anzeigen über den Vorfall die Inspektion in Alarmbereitschaft versetzt haben. Nach den ersten Ermittlungsergebnissen reichte die Leiterin des Rehabilitationszentrums dann ihren Rücktritt ein. Dieser wurde umgehend angenommen und ein Nachfolger ernannt, betonte Pletikosa. 

Die Leiterin ließ nicht zu, dass ein Rettungswagen gerufen wird

Bei der Pressekonferenz erklärte man, dass die ersten Untersuchungen ergeben haben, der Tod sei auf Fahrlässigkeit zurückzuführen, da das Kind nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt worden sei. Das Protokoll, das vorschreibt, dass das Kind alle 15 Minuten besucht werden muss, wurde nicht eingehalten. Es gab angeblich Versuche, die Behandlung gemäß dem nicht existierenden Protokoll darzustellen. Die inzwischen zurückgetretene Zentrumsdirektorin soll demnach allein entschieden haben, den Vorfall nicht als einen Sonderfall zu melden. Die Zentrumsmitarbeiter gaben an, sie hätten am Tag des Vorfalls nicht zugelassen, dass ein Rettungswagen gerufen wird.

Das Rehabilitationszentrum befindet sich in einem neuen Gebäude mit angeblich guten Bedingungen. Das Zentrum hat 58 Bewohnerinnen und Bewohner, viele davon sind Kinder mit Entwicklungsstörungen. In der Nachtschicht würden 15 Bewohnerinnen und Bewohner von einer Pflegekraft betreut, während die Tagesschicht von zwei bis drei Personen betreut werde, was den Vorschriften entspreche, sagte Staatssekretärin Pletikosa.

Der Bursche blieb 2,5 Stunden unbeaufsichtigt

Zum Tod des 15-Jährigen äußerte sich auch der Sozialminister Marin Piletić. "Wie aus den Untersuchungsergebnissen hervorgeht, wurden die Mängel in der Arbeit der Einrichtung selbst festgestellt", sagte Piletić. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums seien laut ihm von der Leitung dazu überredet worden, Protokolle von nicht stattfindenden Treffen zu unterzeichnen. "Alles mit dem Ziel, die Tatsache zu verschleiern, dass den minderjährigen Jungen seit mehr als zweieinhalb Stunden niemand mehr besucht hat", sagte der Minister. So sei dieser an einem Stück Pizza, das im Zimmer liegen blieb, erstickt. 

Die Berichte, dass die Belegschaft des Rehazentrums zum Zeitpunkt des Todes unterbesetzt gewesen sei, bestritt er. "Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren zu dem gegebenen Zeitpunkt im Dienst", so Piletić. Er wies darauf hin, dass die zuständigen Behörden vor diesem Vorfall mit der ehemaligen Direktorin in regelmäßigem Kontakt gewesen seien und auch festgestellt wurde, dass die Einrichtung eine angemessene Betreuung erbringe.

Das Ministerium blieb "taub "

Laut offiziellen Unterlagen, zu denen das Magazin Nacional Zugang habe, ist der Tod des Kindes wahrscheinlich das Ergebnis schwerwiegender Versäumnisse im Sozial- und Gesundheitssystem, einschließlich der Leitung des Zentrums und des Ministeriums selbst. 

Die Direktorin des Reha-Zentrums soll das Ministerium nämlich wiederholt vor dem chronischen Mangel an Personal und Ressourcen, die für eine angemessene Versorgung der Leistungsempfänger erforderlich wären, gewarnt haben. Offenbar wurden ihre Warnsignale ignoriert. In einem nach dem Tod des 15-Jährigen an Ministerin Piletić gerichteten Brief hätte die Direktorin geschrieben, dass die Tragödie das Ergebnis katastrophal schlechter Arbeitsbedingungen sei - weil das Ministerium "taub blieb". 

War nur eine Pflegekraft an diesem Tag im Dienst?

Nacional schreibt, dass das Arbeitsinspektorat in dem Reha-Zentrum am 15. und 16. Oktober eine außerordentliche Kontrolle durchgeführt hat. Anhand des vorliegenden Protokolls lässt sich das Geschehen an jenem schicksalhaften Abend rekonstruieren: Nur eine Pflegekraft war im Dienst und betreute 15 schwerbehinderte Nutzer. Das Kind erstickte angeblich an einem Stück Pizza, das in dem Raum zurückgelassen wurde, in dem es eingesperrt war. 

Aufgrund des Personalmangels bemerkte die Krankenschwester die Situation nicht rechtzeitig, was zu einem tragischen Ausgang führte.

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