Skandal in Bosnien: Am Wahltag 80 Personen plötzlich "erblindet"

Symbolbild
In einem kleinen Ort im Norden Bosniens wittert man einen Wahlbetrug, nachdem zahlreiche Wähler über Nacht ihr Sehvermögen verloren haben.

Die zu Beginn des Monats abgehaltenen Parlamentswahlen in Bosnien und Herzegowina haben zumindest ein Nachspiel. Wie die bosnischen Medien berichten, seien in einem Wahllokal im Dorf Čengić bei Bijeljina über Nacht 80 Menschen "erblindet". Hinter diesem Phänomen wittert die Opposition einen Wahlbetrug, seien die "plötzlich Erblindeten" doch auf Hilfe bei ihrer Stimmabgabe angewiesen. 

Brisant macht das Ganze die Tatsache, dass die Bescheinigung, dass diese 80 Wählerinnen und Wähler blind sind, von der Direktorin des Krankenhauses in Bijeljina, Danijela Đukin, unterzeichnet worden sein sollen. Diese ist ein Mitglied der in Republika Srpska regierenden Partei SNSD und hat sich als Kandidatin für das Abgeordnetenhaus von Bosnien und Herzegowina aufstellen lassen.

Während der Wahlkampagne hat sie mit einem Auftritt virale Bekanntheit erlangen können, als sie dem Publikum riet, sie sollen ihren Parteichef Milorad Dodik wählen, "wenn sie in den kommenden Jahren etwas zu essen haben wollen". 

Können Blinde am Feld arbeiten?

"Ich kenne fast alle Leute von dieser 'Blinden-Liste' und bin mir sicher, dass keiner von ihnen blind ist. Wie kann er plötzlich blind sein, wenn er sich bis gestern ohne fremde Hilfe im Dorf fortbewegt hat? Das sind Leute, die auf den Feldern arbeiten, die fischen gehen, die im Haushalt arbeiten. Wie könnten sie das alles tun, wenn sie blind wären?", sagte ein Čengić-Bewohner einem Journalisten der Tageszeitung Oslobođenje, der dem Dorf einen Besuch abstattete. 

Oslobođenje sprach auch mit Danijela Đukin. Die Ärztin behauptet, dass es sich um eine mediale Verfolgungsjagd gegen ihre Person handele. Sie würde im Krankenhaus nicht mehr wie früher als Augenärztin arbeiten, sondern nur die Agenden einer Direktorin haben. Sie kündigte eine Verleumdungsklage an.

"Jemand wird dafür teuer bezahlen"

"Ich bin fast 60 Jahre alt und mache meinen Job professionell. Die Präsidentin der Zentralen Wahlkommission hat doch gesagt, dass an den Vorwürfen nichts dran sei, darüber schrieb aber niemand", beklagt Đukin. "Mit diesen Lügen werden sich zuständige Institutionen befassen. Jemand wird dafür teuer bezahlen. Ich war 60 Jahre lang nicht interessant, plötzlich bin ich es. Ich habe bei den Wahlen 11.500 Stimmen gewonnen. Die Leute sind also bei mir."

Oslobođenje versuchte auch, Stimmen aus dem Fachbereich einzufangen. "Kein Kommentar" hieß es sowohl aus der Ärztekammer als auch aus der Vereinigung der Augenärzte oder der Ärztegewerkschaft. Dario Sandić, ein Anwalt aus der größten Stadt von Republika Srpska, bereitet derweil ein Verfahren gegen Personen vor, die am Wahltag "erblindet" sind. Er wolle auch Strafanzeigen gegen die Ärzte erstatten, die den "Blinden" ärztliche Atteste zur bestandenen Führerscheinprüfung und die Waffenscheine ausgestellt haben, sagte er gegenüber dem Blatt. 

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