"Frappantes Ausmaß": Opposition beharrt auf Wahlannullierung in Belgrad

"Frappantes Ausmaß": Opposition beharrt auf Wahlannullierung in Belgrad
Nach Serbien-Wahl: Die staatliche Wahlkommission soll am Abend über die Einwände der Opposition entscheiden.

Die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) ist nach der Wahl am Sonntag, bei der sie einen klaren Wahlsieg auf allen Ebenen verkündete, mit anhaltenden Protesten der Opposition konfrontiert. Die oppositionelle Koalition "Serbien gegen Gewalt" will nicht auf ihre Forderung nach einer Wahlwiederholung in der Hauptstadt Belgrad verzichten.

Im ganzen Land habe es am Wahlsonntag Unregelmäßigkeiten gegeben, allerdings hätten diese in der Hauptstadt ein "frappantes Ausmaß" angenommen, kommentierte Srđan Milivojević, Kandidat für die Demokratische Partei, gegenüber dem TV-Sender N1 am Mittwoch.

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Protestkundgebung auch für den Mittwochabend angekündigt

In der Hauptstadt ging es den bisherigen Erkenntnissen nach einerseits um die Wahlbetrugsmethode des "Bulgarischen Zuges", einen Typ von Stimmenkauf, der auf den sozialen Netzen in zahlreichen Aufnahmen bezeugt ist. Der Preis für eine SNS-Stimme durfte wohl zwischen 2.500 Dinar (21,34 Euro) und 9.000 Dinar (76,81 Euro) betragen haben. Andererseits wurde aber auch der systematische Transport von Wählern aus der bosnischen Republika Srpska nach Belgrad kritisiert, wo sie bei der Wahl für das Stadtparlament abgestimmt hätten. Manche bosnisch-serbischen Politiker ließen sich im Wahllokal gar mit dem Zettel für die Belgrader Wahl in der Hand ablichten.

Die staatliche Wahlkommission soll am Abend über die Einwände der Opposition entscheiden. Im Gebäude der Kommission befinden sich seit Montagabend zwei oppositionelle Spitzenpolitiker - Marinika Tepić und Miroslav Aleksić - im Hungerstreik. Anhänger der Opposition hatten am Dienstagabend schon zum zweiten Mal vor dem Gebäude protestiert, eine weitere Protestkundgebung wurde für den Mittwochabend angekündigt.

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"Frappantes Ausmaß": Opposition beharrt auf Wahlannullierung in Belgrad

Marinika Tepić (li.) und Miroslav Aleksić (mit verschränkten Armen) traten in den Hungerstreik. 

42.000 Phantomwähler aus dem benachbarten Bosnien-Herzegowina werden vermutet

Der amtierende Parlamentspräsident Vladimir Orlić von der SNS ist unterdessen der Ansicht, dass das Verhalten der Opposition "fern jeder Realität" sei. Ministerpräsidentin Ana Brnabić, die auch SNS-Chefin in der Hauptstadt ist, bestritt die Behauptungen der Opposition über 42.000 Phantomwähler aus der Republika Srpska. Am Wahlsonntag seien aus der Republika Srpska 20.368 Personen nach Serbien eingereist, so Brnabić unter Berufung auf das Innenministerium.

Jene Belgrader Intellektuellengruppe, die mit ihrem Aufruf "ProGlas" (für eine Stimme) die Landsleute zur Wahlteilnahme zu animieren versuchte, sprach am Dienstagabend von "drastischen Unregelmäßigkeiten" am Wahltag, die untersucht werden müssten.

Vučić soll ein anderes "Volk" importiert haben

"Serbien gegen Gewalt" will sich nach den Worten von Tepić auch an die Staatsanwaltschaft und das Verfassungsgericht wenden. Sie sei überzeugt, dass die Beweise, welche die Opposition der staatlichen Wahlkommission vorgelegt habe, ausreichen würden, nicht nur die Belgrader Wahl, sondern den ganzen Wahlprozess zu annullieren. In Belgrad sei Staatspräsident Aleksandar Vučić mit dem eigenen Wahlvolk, das ihn nicht möge, nicht zufrieden gewesen und habe ein anderes "Volk" aus der Republika Srpska importiert, so Tepić.

Mit sichtbarer Zufriedenheit stellten regierungskritische Medien unterdessen fest, dass in jenen Wahllokalen, in denen am Sonntag Präsident Vučić, Ministerpräsidentin Brnabić, aber auch Finanzminister Siniša Mali abgestimmt hatten, die SNS klar hinter den Resultaten der Koalition "Serbien gegen Gewalt" geblieben sei.

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Vor den Wahlen deutete alles auf einen Sieg der Opposition hin

Die regierungsnahe Zeitung Večernje Novosti berichtete am Mittwoch, dass die Partei "Wir, die Stimme des Volkes" des als Impfgegner bekannten Arztes Branimir Nestorović mit ihren sechs Abgeordneten im Stadtparlament bereit wäre, einzelne Vorschläge der SNS (49 Mandate) und der Sozialisten (sechs Mandate) zu unterstützen, was ihnen die notwendige Mehrheit im 110-Sitze-Parlament sichern würde.

Alle bekannten Meinungsumfragen deuteten vor den Wahlen auf einen klaren Wahlsieg von "Serbien gegen Gewalt" in der Hauptstadt hin.

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