In Serbien brodelt es: Vorwurf des Wahlbetrugs, Proteste & Hungerstreik
Der 19. Dezember ist in Serbien ein wichtiges Datum. Es handelt sich um einen der wichtigsten Feiertage der serbisch-orthodoxen Kirche: der Tag des heiligen Nikolaus (Sveti Nikola). Schätzungen zufolge feiert die Hälfte der Orthodoxen in Serbien dieses Fest zuhause, die andere Hälfte hingegen ist bei ihnen zu Besuch. Diesen 19. Dezember werden viele Serbinnen und Serben jedoch nicht im warmen Zuhause verbringen, sondern auf der Straße.
Schuld daran ist wieder mal eine Wahl. Diesmal handelt es sich um eine Parlamentswahl, die am Sonntag abgehalten worden war und bei der die seit 2012 regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) des Staatspräsidenten Aleksandar Vučić einen klaren Sieg gelandet hat. Wie dieser zustande kam, das ist das vorherrschende Thema nach dem Wahlsonntag - und der Anlass für viele, auf die Straße zu gehen, um ihren Protest kundzutun.
"Serbien gegen Gewalt" fordert von der Wahlkommission die Annullierung der Belgrad-Wahl
Zum Protest aufgerufen hat das Oppositionsbündnis "Serbien gegen Gewalt" ("Srbija protiv naselja"), das die abgehaltene Wahl für eine Farce hält und einen "noch nie da gewesenen" Wahlbetrug wittert. Deshalb hat das oppositionelle Bündnis am Montagabend die staatliche Wahlkommission aufgefordert, den Urnengang für die Stadtverwaltung von Belgrad wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten zu annullieren.
Damit soll der Weg für die Abhaltung von Neuwahlen in der serbischen Hauptstadt frei werden. Dem Antrag wurden Beweise über Stimmenkauf beigelegt, sowie auch über die massive Teilnahme von stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürgern aus der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska.
Spitzenkandidaten befinden sich im Hungerstreik
Laut Opposition soll es sich um etwa 40.000 Menschen handeln, die Personalausweise mit fiktiven Wohnadressen in Belgrad erhalten hatten. Die Abgeordneten des Bündnisses wollen bis zur Entscheidung über ihre Forderung im Gebäude der staatlichen Wahlkommission bleiben. Zwei Spitzenkandidaten von "Serbien gegen Gewalt", Marinika Tepić und Miroslav Aleksić, beschlossen, in den Hungerstreik zu treten. Beide verbrachten die Nacht im Gebäude der staatlichen Wahlkommission. "Wir bleiben hier so lange, bis unsere Forderungen erfüllt worden sind", erklärte Marinika Tepić gegenüber Medien.
Vor dem Gebäude der staatlichen Wahlkommission, wo einst das serbische Parlament tagte, versammelten sich am Abend zahlreiche Anhänger der Opposition. Gegen das Gebäude, das sich direkt gegenüber dem Amtssitz des Präsidenten Aleksandar Vučić befindet, flogen zeitweise auch Eier und Tomaten. Immer wieder wurde auch "Diebe, Diebe" skandiert. Der Protest verlief zumeist aber ruhig.
"Für ein Land mit EU-Kandidatenstatus inakzeptabel"
Derweil berichtete eine internationale Beobachtermission aus Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des EU-Parlaments und des Europarats am Montag von einer Reihe von "Unregelmäßigkeiten" bei dem Urnengang, darunter Fälle von Gewalt, Stimmenkauf und das Füllen der Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln. Kritisiert wurde auch die Rolle von Vučić. "Obwohl der Präsident nicht zur Wahl gestanden ist, hat sich alles um ihn gedreht", sagte der österreichische Parlamentarier und OSZE-Wahlbeobachter Reinhold Lopatka (ÖVP) am Montag der APA. Die Beteiligung Vučićs habe zu "unfairen Verhältnissen" bei den Wahlen geführt, hieß es in seinem Statement.
Das deutsche Auswärtige Amt in Berlin verwies am Abend auf die von der OSZE angeführten Verstöße. Dies sei "für ein Land mit EU-Kandidatenstatus inakzeptabel", erklärte das AA im Kurzbotschaftdienst X.
SNS klar vor "Serbien gegen Gewalt"
Laut vorläufigem Ergebnis siegte die Regierungspartei Serbische Fortschrittspartei (SNS), an deren Spitze Präsident Vučić bis vor kurzem stand, bei der Parlamentswahl in Serbien. Laut am Montagabend von der Wahlkommission veröffentlichten vorläufigen Ergebnissen kam die SNS bei der Wahl am Sonntag auf 46,7 Prozent der Stimmen, Serbien gegen Gewalt auf 23,5 Prozent, meldete die Nachrichtenagentur AFP.
Bei der gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahl siegte die SNS in Belgrad mit 38,7 Prozent der Stimmen vor "Serbien gegen Gewalt".
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