Rassismus gegen Muslime: Höhepunkt nach der "Islamlandkarte"

Gerade das Kopftuch macht Muslimas oft zur Zielscheibe von Hass.
Die Dokustelle für Islamfeindlichkeit präsentierte ihren jährlichen Report.

Ein Lehrling mit Fluchthintergrund arbeitet als angehender Koch in einem Restaurant. Sein Chef regt sich über einen Zeitungsartikel auf und schreit den Lehrling an: „Ja euretwegen passieren diese gewalttätigen Dinge, der Flüchtling hat den Mann umgebracht“ und deutet auf den Vorfall in Frankreich, wo ein geflüchteter Mensch einen Mord begangen haben soll. Er schreit und beschimpft ihn - und wird sogar handgreiflich.

Der Chef verpasst dem Lehrling eine Ohrfeige, drückt ihn gegen die Wand und würgt ihn. Andere Mitarbeiter*innen am Standort sehen erst zu und greifen ein, nachdem der Lehrling nicht mehr atmen kann. Der Lehrling geht mit dem Fall nicht an die Polizei, da er fürchtet, der Fall könnte sich negativ auf seinen Aufenthaltsstatus auswirken. Er wird für eine längere Zeit krankgeschrieben.

Doch er meldet den Fall bei der Dokustelle Österreich. Die Dokumentations- und Beratungsstelle für Personen, die Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus erfahren, dokumentiert und berät bei Fällen wie diesen. 

Weniger Fälle als im Jahr 2020

1061 Fälle wurden dort im Jahr 2021 insgesamt gemeldet. Die Mehrheit von ihnen passierte, entgegen dem oben beschriebenen Fall, online. Bei 725 dokumentieren Vorfällen im Jahr 2021 handelte es sich um die Verbreitung von Hass im Internet. „Die dokumentierten Fälle zeigen, dass sich Rassismen aufgrund der Auswirkungen der anhaltenden Covid-19 Pandemie vermehrt in den virtuellen Raum verlegt haben, weil weniger Menschen im analogen Bereich interagiert haben. Während physische Übergriffe auf Muslim*innen und muslimisch wahrgenommene Menschen weniger oft dokumentiert wurden, stiegen die Zahlen von gemeldeten Fällen im öffentlich politischen und virtuellen Raum an“, ist im Bericht für das Jahr 2021 zu lesen. 

Rassismus gegen Muslime: Höhepunkt nach der "Islamlandkarte"

Auch dass die gemeldeten Fälle zum Vorjahr (1402) weniger geworden ist, erklärt sich die Dokustelle durch die Pandemie und die dadurch fehlenden Möglichkeiten. „Antimuslimischer Rassismus ist natürlich nicht weniger geworden. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich auch sehr viel höher, als das, was bei uns gemeldet wird“, sagt Rumeysa Dür-Kwieder bei der Präsentation des jährlichen Reports.

Rassismus gegen Muslime: Höhepunkt nach der "Islamlandkarte"

Die Dokustelle beobachte besonders Korrelationen zwischen politischen Ereignissen und deren Anstiftung zu verbaler Gewalt im Internet beobachtet. Zum Beispiel habe zum Beispiel die Medienberichterstattung nach der Veröffentlichung der sogenannten „Islamlandkarte” im Juni 2021 durch die Dokumentationsstelle Politischer Islam eine Flut an Hasskommentaren in diversen Onlineforen von Tageszeitungen ausgelöst. Die verzeichneten Fälle aus den Bundesländern wurden vermehrt in jenen Ortschaften und religiösen Stätten verübt, die auch einen Eintrag in der "Islamlandkarte" gefunden haben.

Rassismus gegen Muslime: Höhepunkt nach der "Islamlandkarte"

Eine ähnliche Auffälligkeit stellt die Dokustelle nach dem Mord an der 13-jährigen Leonie fest. "Von den 31 begangenen Femiziden in Österreich wurden sieben Frauen von muslimisch gelesenen Männern getötet. Dennoch folgte die mediale und politische Empörung allein bei Männern, die einen muslimischen Hintergrund haben könnten. Im Falle der Ermordung eines 13-jährigen Mädchens namens Leonie war der politische Aufschrei so groß sowie für antimuslimische Diskurse instrumentalisierend, dass uns in den folgenden Tagen auffällig viele Fallmeldungen erreichten", heißt es im Report.

Rassismus gegen Muslime: Höhepunkt nach der "Islamlandkarte"

Von insgesamt 189 Fällen, bei denen das Geschlecht bekannt ist, sind die Betroffenen in 52 Fällen Männer und in 137 Fällen Frauen. Bei den Täter*innen hingegen dominieren Männer. Bei 426 der gemeldeten Fälle ging der antimuslimische Rassismus von Männern aus. Erstmalig wurden in der Statistik zu 2021 die Tätergruppen diversifiziert. So wurden zum Beispiel dieses Jahr auch Tathandlungen erfasst, die von politischen Funktionär*innen ausgeübt wurden. "Die Statistik zeigt schockierende Tendenzen. Bis zu 31 % der verzeichneten Fälle wurde von Politiker*innen während einer politischen Amtshandlung ausgeübt", so der Report. Mit 58 Prozent sind Einzelpersonen die größte Tätergruppe.

 

 

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