Leere Strände in Montenegro: "Kein Wunder bei Preisen wie an der Côte d'Azur"
Im vergangenen Sommer haben die Montenegriner Blut geleckt. In dem kleinen, an der Adria-Küste gelegenen, Land erlebte der Tourismus seine Hochblüte. Avancierte von einem Geheimtipp zu einer Top-Urlaubsdestination. Alles Schnee von gestern, denn der jugoslawische Nachfolgestaat konnte den Aufwärtstrend heuer nicht fortsetzen. Die Urlaubssaison bisher konnte die hohen Erwartungen, die auf dem Vorjahr basieren, nicht erfüllen. Die Gründe dafür seien vielschichtig, behaupten Touristiker.
"Ich denke, wir waren angesichts der sehr guten Besucherzahlen in der Vorsaison zu optimistisch. Zu dieser Zeit hatten wir viele Touristen aus Skandinavien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien … Wir hätten wissen sollen, dass es sich um Gäste handelt, die traditionell gerne in der Vorsaison kommen und in der Hauptsaison selten in den Urlaub fahren", erklärte Hotelier Ivan Ivanović aus dem beliebten Küstenort Budva im Gespräch mit dem montenegrinischen Portal Vijesti.
Die Touristensaison habe all die Probleme offengelegt, mit denen Budva - das als zentraler Ort des montenegrinischen Tourismus gilt - seit Jahren konfrontiert ist, schreibt Vijesti. Die Rede ist "von einer schlechten, praktisch nicht existierenden Tourismusstrategie, einem unklaren Konzept, ob es ein Elite- oder ein Massentourismusziel, ein Vergnügungs- oder aber ein Erholungsort" sein soll. Zudem sei man sich nicht sicher, welche Touristen man anlocken will: die aus dem Osten Europas oder aber die aus der Westbalkan-Region. Zu guter Letzt seien die in diesem Sommer extrem hohen Preise schuld daran, dass die Besucher ausbleiben.
Vier Euro für eine Wasserflasche
Ein Punkt, den auch Premierminister von Montenegro Dritan Abazović in einem TV-Interview ansprach. "Wenn jemand denkt, dass sich die Saison vom letzten Jahr wiederholen kann, als die Spitze einfach unglaublich war, weil wir 45 Tage lang das einzig offene Land (Montenegro hob vergangenen Sommer alle Corona-Einreisebeschränkungen auf, Anm.) waren, der irrt sich gewaltig", stellte Abazović fest und warnte zugleich: "Wir müssen uns an neue Trends anpassen. Die Preise an der Küste sind wie an der Cote d'Azur, das hat Montenegro noch nie gesehen".
Der 36-jährige Regierungschef sparte nicht mit Kritik an seinen Landsleuten." Jeder soll erfahren, dass der Preis für eine Wasserflasche an der Küste bis zu 4 Euro beträgt. Vor eineinhalb Jahren waren es 1,5 Euro. Chalets auf Ada Bojana (beliebte Insel, Anm.) wurden im Vorjahr für 50 Euro am Tag vermietet, heuer sind es 250 Euro. Wir müssen nur realistisch und ehrlich sein", forderte Abazović von seinen Landsleuten, stellte aber zugleich fest, dass die bisherigen Sommereinnahmen auf einem "befriedigenden Niveau" seien.
Gäste aus Russland und der Ukraine werden vermisst
Laut offiziellen Daten der Touristenorganisation von Budva, urlauben dort derzeit 29.707 Touristen, was um ein Fünftel weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Branka Džoganović, Direktorin des Verbandes privater Unterkunftsanbieter in Montenegro, sagte gegenüber Vijesti, dass die Auslastung der privaten Unterkunftskapazitäten derzeit bei rund 30 Prozent liege. Die meisten Gäste kommen aus Serbien, es folgen diejenigen aus Russland, der Ukraine sowie Bosnien und Herzegowina.
Die Touristenarbeiter in den Haupturlaubsorten Budva, Bar und Ulcinj erklärten gegenüber Vijesti, mit der laufenden Saison nicht zufrieden zu sein. Gastronomen und Hoteliers würden spüren, dass es weniger Gäste als im Vorjahr gäbe. Sie sehen die Ursache dafür in der schwachen Werbung für Montenegro als Reiseziel, in hohen Preisen - und im Krieg in der Ukraine.
"Ich denke, dass jede Aussage von Tourismusmitarbeitern, sowohl des Tourismusministeriums als auch der Nationalen Tourismusorganisation, dass wir den russischen und ukrainischen Markt in den nächsten ein oder zwei Jahren ersetzen werden, äußerst leichtsinnig ist. Die Strategie, sich auf einen bestimmten Markt zu konzentrieren, war extrem falsch", betont Hotelier Ivan Ivanović.
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