"Stille Besetzung Istriens": Ein kroatischer Urlaubsort schlägt Alarm

"Stille Besetzung Istriens": Ein kroatischer Urlaubsort schlägt Alarm
Die Stadt Umag spricht von "brutaler Zerstörung Istriens" und macht mobil gegen den illegalen Bau und die Küstenzerstörung.

"Stille Besetzung Istriens." So lautet der Name einer zweiteiligen Kurzvideo-Serie, die die Stadt Umag Mitte Februar auf YouTube veröffentlicht hat. Darauf zu sehen sind Luftaufnahmen von angeblich illegal gebauten Häusern, illegal erworbenen Parzellen und teils verwahrlosten Strandabschnitten. Die Videos sind eine Anklage gegen die Missstände in dieser beliebten kroatischen Urlaubsregion. 

Die Küstenstadt, die etwas mehr als 500 Kilometer bzw. nur 6 Autostunden Fahrzeit von Wien entfernt ist, kämpft nämlich seit Jahren mit dem Problem der Zerstörung von maritimem Eigentum bzw. der Verwüstung der Küste. Für diese Stadt macht die Gemeinde ausländische Bürger, hauptsächlich Slowenen, verantwortlich. 

"Istrische Favelas" entstehen, der Staat schaut weg

"Istrien ist zur Schande für uns alle, die dort leben, zu einem europäischen Paradies für illegale Bauherren und Usurpatoren geworden. Illegale Bauarbeiten, die Zerstörung von Wäldern, landwirtschaftlichen Flächen und Meereseigentum sind ein 'Krebsgeschwür', das tagtäglich unseren Landkreis zerfrisst - und zwar in einem Ausmaß, dass es heute die normale Lebensqualität der Bürger gefährdet", heißt es auf der offiziellen Homepage der Stadt Umag. Dort werden schwere Vorwürfe gegen einzelne Personen, aber auch den kroatischen Staat erhoben. Dieser würde demnach vor Machenschaften dieser Personen die Augen verschließen:    

"Gut organisierte Einzelpersonen wandeln land- und forstwirtschaftliche Flächen in 'Wochenendgrundstücke' um, die 2-3 €/m2 wert sind, aber für 30-50 €/m2 verkauft werden. Die Folge davon ist, dass in Istrien illegale Siedlungen, 'istrische Favelas', mit Tausenden von Einwohnern entstehen. Die 'stille Besetzung' Istriens vollzieht sich vor unseren Augen mit dem offensichtlichen Desinteresse der Politik und der Ineffizienz kompetenter Kontrollen, die das Gebiet schützen und illegalen Bau und Bodenzerstörung stoppen sollten. Es ist bekannt, dass Wälder und landwirtschaftliche Flächen geschützt sind und für die Republik Kroatien von besonderem Interesse sind, aber in Wirklichkeit ist dies nicht ganz der Fall."

"Es ist eine Verhöhnung von uns allen in Istrien"

Für absurd hält die Stadtregierung die Tatsache, dass "diese rechtswidrige, illegale Besetzung das Werk überwiegend ausländischer Bürger, angeführt von denen aus Slowenien, ist." Diese würden Hilfe und Unterstützung von "Lokalpatrioten" bekommen. 

"Eine solche Unverschämtheit und Aggressivität ausländischer Bürger bei der brutalen Zerstörung Istriens wurde in der Kriegsgeschichte Istriens nicht verzeichnet. Es ist eine Verhöhnung von uns allen in Istrien, denn wir erwarten von ausländischen Bürgern, dass sie sich wie in ihren Herkunftsländern auch hier zivilisiert verhalten und sich an unsere Gesetze halten", schreibt die Stadt auf ihrer Homepage. Stattdessen würden sich die Slowenen und Co. in Istrien wie "Konquistadoren“ aufführen und die kroatischen Gesetze verspotten. Für die gesetzestreuen Einheimischen sei das eine "Watschen ins Gesicht".

30.000 "wilde" Touristen in Istrien?

In dem Text wird angegeben, dass Istrien 1991 wie auch heute etwas mehr als 200.000 Einwohner zählt. Im Gegensatz zu 1991 gäbe es nach Angaben der Stadtbehörden heute jedoch zusätzlich 200.000 temporäre Einwohner, sowohl legale als auch illegale. "Diese temporären Ausländer verfügen über 140.000 Touristenbetten, die sie vermieten, die meisten davon 'schwarz'. Für uns ist es unmöglich, die Zahl der illegalen Bewohner in 'istrischen Favelas' genau zu bestimmen. Man geht davon aus, dass es sich um etwa 30.000 'wilde' Touristen/Einwohner handelt", ist in dem Text zu lesen. 

Demnach soll es in Istrien bereits Gemeinden und Städte geben, in denen die Zahl der temporären Einwohner die Zahl der Einheimischen übersteigt.

"Dieser Teil der Küste sieht verwüstet und heruntergekommen aus"

Die Reporter des Portals Index.hr haben sich vor Ort ein Bild der Lage gemacht. "Die Küste von Umag ist wahrscheinlich einer der am stärksten zerstörten Teile Istriens. Es handelt sich um einen etwa acht Kilometer langen Küstenabschnitt, der für Bürger und Touristen nicht zugänglich ist", schreibt Index.hr. "Dieser Teil der Küste sieht verwüstet und heruntergekommen aus. Ein großer Teil davon ist betoniert, es wurden Pfeiler gebaut und Holzliegeplätze installiert, die aussehen, als würden sie jeden Moment einstürzen. Alles hinterlässt den Eindruck einer Art zerstörter, düsterer Baustelle am Meer, nicht der Küste im reichsten kroatischen Landkreis.

Gegenüber dem Portal haben sich mehrere Einwohner beschwert - vor allem über die neuen Bewohner aus Slowenen, dessen Grenze wenige Kilometer weg von Umag ist. Die Bewohner behaupten, die Slowenen hätten sie von kleinen Stränden vertrieben, mit der Behauptung, diese seien ihr Eigentum - obwohl die Strandprivatisierung in Kroatien verboten ist. Es sei auch schon öfter zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen, wenn die Einheimischen etwa an diesen Stränden ein Handtuch abgelegt haben. 

"Selbstverständlich dürften sie so etwas in Slowenien auf keinen Fall machen"

Die meisten Bewohner Umags sehen den Hauptschuldigen in der Regierung, die ihrer Meinung nach seit 30 Jahren nichts unternommen hat, um diese Zustände zu verhindern. "Die Regierung hat ihnen das alles erlaubt. Jahrelang hat sie niemand kontrolliert, und so ist das alles passiert. Das ist nicht von heute, dieses Problem schwelt schon seit über 30 Jahren. Die Slowenen haben zwar den größten Teil der Küste zerstört, aber wenn sich ihnen niemand in den Weg stellt ...", sagte eine Einheimische gegenüber Index.hr.

Ein weiterer Ortsbewohner ist sich sicher, dass jemand bei diesen dunklen Machenschaften gut mitgeschnitten hat. "Die Stadt versucht jetzt, es zu verhindern, aber jetzt ist es vorbei. Sie haben dort private Häfen und Strände gebaut und denken, es gehöre ihnen. Selbstverständlich dürften sie so etwas in Slowenien auf keinen Fall machen", erklärt der Umag-Bewohner resigniert. 

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