Später sollte er erfahren, dass bei den ersten drei Luftangriffen auf Dnipro seit dem Kriegsbeginn ein Kindergarten, ein Apartmenthaus, eine Schuhfabrik sowie die U-Bahn-Station getroffen wurde. Ein Mann kam ums Leben. Auf die Frage, ob er die Stadt verlassen werde, kontert Yura mit einem klaren „Nein!“ Er sei ein Patriot und wolle bis zum „bitteren Ende“ bleiben.
Das Gespräch beendet er mit einer Entschuldigung. Er müsse zu einer Militäreinheit, wo er als Freiwilliger Hilfe leistet. Ob er selbst bereit wäre, zur Waffe zu greifen? „Ja, klar!“
Während in Dnipro die Grundversorgung immer noch intakt ist, wird die Lage in Mariupol immer bedrohlicher. Es gibt kein Wasser, kein Gas, keinen Strom und fast nichts mehr zu essen in der für den Kreml strategisch wichtigen Stadt am Asowschen Meer. Mariupol sei unter ständigem Beschuss und Bombardement durch die Russen.
Die Lage dort wird mit Aktionen in Stalingrad und Leningrad während des Zweiten Weltkriegs verglichen. Doch wie lange können die Einwohner Mariupols dem großen Druck der russischen Angreifer standhalten?
Der Bürgermeister von Mariupol Vadim Boychenko, der oft mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij verglichen wird, veröffentlichte ein emotionales Video, um die aktuelle Situation in der Stadt zu verdeutlichen.
Luftangriffe alle 30 Minuten
Die russische Regierung behauptet immer noch, dass ihre Streitkräfte Zivilisten nicht verletzen, aber die Beweise zeigen das Gegenteil. Seit zwei Tagen greifen Soldaten Häuser, Krankenhäuser, Gebärkliniken und Kindergärten an. Alle 30 Minuten gibt es Luftangriffe, bei denen Menschen zu Unfallopfern werden. 400.000 Einwohner Mariupols befinden sich in Gefangenschaft. Die Stadt sei von allen Richtungen abgeschnitten, mehr als 200.000 Menschen würden auf eine Flucht warten.
Die Stadt wird schwer belagert, aber alle Vorräte sind aus und die Bevölkerung braucht humanitäre Hilfe. Die Russische Föderation hat einen Waffenstillstand angekündigt, humanitäre Hilfsgüter konnten die Stadt aber schon seit sechs Tagen nicht erreichen. Die Russen behaupten, dass der humanitäre Korridor offen ist, die Menschen laufen weiterhin in Minen und Panzer. Der Präsident, Außenminister Dmitri Kuleba und viele andere Politiker versuchen, die Lieferung humanitärer Hilfsgüter und die rasche Freilassung der Opfer der russischen Aggression zu vereinbaren.
Der Bürgermeister von Mariupol gibt die Hoffnung auf eine baldige Befreiung seiner Stadt dennoch nicht auf und glaubt, dass alle Einwohner damit fertig werden. Die Ukrainer seien eine tapfere Nation. „Ich weiß nicht, wie ich die Zerstörungen in unserer Stadt beschreiben soll. Die Stadt existiert eigentlich nicht mehr. Die Bilder von Grosny und von Aleppo - so sieht Mariupol im Augenblick aus“, sagte Vize-Bürgermeister Serhij Orlow dem ARD.
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