Familienbeihilfe: Ausländische Eltern beklagen Diskriminierung
Bereits vor 15 Jahren hat die Volksanwaltschaft auf dieses Problem hingewiesen. 2014 haben dann die grünen Abgeordneten um Daniela Musiol und Alev Korun eine parlamentarische Anfrage an den damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling gestellt, die eine kürzere Befristung der Familienbeihilfe für nicht-österreichische Familien betrifft. Diese würde "ohne sachliche Rechtfertigung eine Diskriminierung und einen Missstand in der Verwaltung darstellen", heißt es in der Anfrage.
Seitdem scheint sich in dieser Hinsicht wenig getan zu haben. Wie schon in dem in der Anfrage zitierten Bericht der Volksanwaltschaft aus dem Jahr 2013 tauchen auch in der Gegenwart Streitfälle auf, die Familien betreffen, bei denen sowohl die Kinder als auch ein Elternteil österreichische Staatsbürger sind bzw. sich auch der zweite Elternteil bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhält. Auch EU-Bürger würden immer wieder Kontakt zur Volksanwaltschaft aufnehmen, weil ihnen die Familienbeihilfe nur befristet zuerkannt wurde.
"Objektive Gründe, die auf Erfahrung basieren"
Ein Fall betrifft auch Sara L. Die Spanierin lebt seit zwölf Jahren in Wien, seit 2017 ist sie mit einem Österreicher verheiratet. Zwei Jahre später kam die gemeinsame Tochter zur Welt - und damit leider auch bis dato ungekannte bürokratische Hindernisse. "Als unsere Tochter geboren wurde, haben wir die Familienbeihilfe beantragt. Diese wurde uns auch zugesagt, doch in der empfangenen Bestätigung stand auch, dass wir sie nur bis August 2021 - sprich befristet auf zwei Jahre - bekommen", erklärt die 35-Jährige, die anfangs davon ausging, dass dies das übliche Prozedere sei.
"Damals habe ich mir gedacht, dass sich die Familienbeihilfe automatisch verlängern würde, wenn man die für den Mutter-Kind-Pass erforderlichen Kontrollen erledigt hat. Das ist aber nicht der Fall gewesen", schildert Sara L. ihre Überraschung darüber, dass sich das Finanzamt erst kurz vor der Ende der Befristung meldete. Reicht man die geforderten Unterlagen nach, dauert die Bearbeitung oft Monate. Und in dem Zeitraum fließt kein Geld.
"Ich habe beim Finanzamt angerufen und mir ist gesagt geworden, dass es Fälle gibt, wo das Kind gar nicht mehr in Österreich wohnt. Dies würde wiederum den Steuerzahlern viel Geld kosten. Als ich gefragt habe, was das mit mir zu tun hat, meinte der Sachbearbeiter, es gäbe 'objektive Gründe, die auf Erfahrung basieren, dass ich so ein Fall sein könnte'", erzählt die Mutter eines österreichischen Mädchens. "Ich habe dann gefragt, ob das jetzt so ist, weil ich Ausländerin bin. Darauf wiederholte er einfach den Satz: 'Es sind objektive Gründe, die auf Erfahrung basieren'".
Keine Befristung für Privilegierte
Der Frust sollte noch größer werden, nachdem die Spanierin erfahren hatte, dass sie im Vergleich zu Menschen in ihrem Freundes- bzw. Bekanntenkreis benachteiligt ist: "Ich habe mich bei anderen jungen Eltern in meiner Umgebung umgehört. Alle vier Pärchen, die ich nach ihrer Erfahrung mit der Familienbeihilfe gefragt hatte, erzählen mir, dass auf ihrem Erstbescheid steht, dass die Familienbeihilfe bis zum 18. Lebensjahr des Kindes zugesichert ist. Alle vier Pärchen sind 'rein österreichisch'".
Der KURIER hat das Bundesministerium für Finanzen mit der Geschichte von Sara L. konfrontiert. Dort zeigte man zwar die Bereitschaft, diesen "ganz speziellen Fall" (O-Ton BMF-Pressesprecher) sofort von Experten prüfen zu lassen, schloss aber weitere ähnliche Fälle aus. "Das ist ein Einzelfall. Wir gehen wirklich jedem Fall nach, wir prüfen alles", erklärte der Pressesprecher des Ministeriums.
In der Regel wird die Familienbeihilfe, die 114 (ab Geburt) bis 165,10 Euro (ab 19. Lebensjahr) pro Monat beträgt, unbefristet bis zum 18. Lebensjahr des Kindes ausbezahlt. Die Volksanwaltschaft hat bereits 2006 festgestellt, dass eine kürzere Befristung der Familienbeihilfe ohne besonderen Grund bei Familien nicht-österreichischer Herkunft einen Missstand in der Verwaltung darstellt. Mit einer kürzeren Befristung soll überprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe noch erfüllt sind. Dies wäre etwa dann nicht der Fall, wenn der Lebensmittelpunkt der Familie nicht mehr in Österreich liegt. Dafür muss es jedoch einen besonderen Anhaltspunkt geben. Die nicht-österreichische Staatsbürgerschaft alleine reiche für die Rechtfertigung einer kürzeren Befristung nicht aus, betont die Volksanwaltschaft.
Diese Befristung kann zu existenzgefährdenden Situationen für Familien führen, denn viele sind freilich auf die staatlichen Zuschüsse angewiesen. Das sei bei Sara L. nicht der Fall. "Zum Glück haben wir beide gute Jobs. Es wird aber genügend sozial schlechter gestellte Familien geben, die dieses Geld dringend brauchen", weiß sie.
Auf Familienbeihilfe angewiesen
Auf Facebook habe sie weitere Leidensgenossinnen gefunden. In einer geschlossenen Gruppe meldeten sich bei ihr mehrere Frauen, die eine Befristung der Familienbeihilfe und lange Verfahrensdauer zu beklagen haben. Audrey R. ist eine davon. Die 30-Jährige hat im Februar die alleinige Obsorge für ihren Neffen aus Deutschland bekommen, seitdem lebt er bei ihr in Wien. "Ich habe die Familienbeihilfe nur für sechs Monate (Anm.: ab Februar) genehmigt bekommen und muss sie jetzt neu beantragen. Dazu muss ich den Aufenthaltstitel von meinem Neffen vorlegen, den ich aber durch die lange Wartezeit auf einen Termin bei der MA 35 immer noch nicht habe", erzählt die Frau aus Luxemburg, die seit dem Antrag Ende März auf die Einwanderungsbehörde für den 14-Jährigen wartet.
Im Gegensatz zu Sara L. ist Audrey R. auf das Geld angewiesen. "In Deutschland galt mein Neffe als Pflegekind, deshalb haben wir dort auch das Pflegegeld vom Jugendamt bezogen. In Österreich steht uns das innerhalb der Familie nicht zu, die Familienbeihilfe ist also die einzige Unterstützung, die wir bekommen", betont sie, weiß aber auch, dass sich in der Facebook-Gruppe darüber nicht nur Frauen mit Migrationshintergrund, sondern auch waschechte Österreicherinnen beklagen.
Monatelanges Warten
"Bei uns haben sich in den letzten Jahren nur mehr sehr vereinzelt Menschen mit diesem Problem (Anm.: Befristung der Familienbeihilfe) an die Volksanwaltschaft gewandt. Was aber nicht automatisch bedeutet, dass es auch tatsächlich weniger solche Fälle gibt", erklärt gegenüber dem KURIER ein Sprecher der Volksanwaltschaft. "Allerdings gibt es gerade ein massives Problem mit der Verfahrensdauer. 90 Fälle, in denen Familien bis zu mehreren Monaten auf eine Entscheidung des Finanzamts warten, wurden uns zuletzt gemeldet". Das habe allerdings nichts mit der Herkunft der Antragsteller zu tun.
"Im Finanzministerium hat man es versäumt, rechtzeitig nach der Corona-bedingten Pauschalisierung genug Personal für die wiederaufgenommenen Einzelfallprüfungen bereitzustellen. Und die Umstrukturierung und Zentralisierung der Finanzämter führt dazu, dass man telefonisch entweder gar niemanden erreicht, oder dass man in einer Außenstelle am anderen Ende der Republik landet, wo man nicht weiterhelfen kann", zitiert der Pressesprecher Volksanwalt Bernhard Achitz.
Am Dienstag kritisierte auch die Arbeiterkammer Verzögerungen bei der Auszahlung der Familienbeihilfe. Betroffen sind laut Präsidentin Renate Anderl Eltern Neugeborener und Eltern gerade 18 Jahre alt gewordener Kinder, wo zu prüfen ist, ob der Anspruch aufgrund von Studium oder Ausbildung noch gegeben ist. Anderl fordert mehr Personal für die zuständigen Stellen im Finanzministerium und besseren Versicherungsschutz für Alleinerziehende.
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