Ewa Ernst-Dziedzic: "Bio-Lehrer hat mich terrorisiert, bis alle gelacht haben"

Eine, die gerne die Ärmel hochkrempelt: Ewa Ernst-Dziedzic
Die grüne Parteisprecherin für Menschenrechte über ein 10-jähriges Mädchen in einem fremden Land, den Rassismus in Österreich und ihre Vorbildfunktion als erfolgreiche homosexuelle Frau.

Eine Kämpferin. Kaum eine bessere Bezeichnung trifft auf Ewa Ernst-Dziedzic besser zu. Die grüne Politikerin hat von klein auf den Kampf mit dem Ernst des Lebens aufgenommen – und ihn schließlich zu ihrem Beruf gemacht. Im Interview mit dem KURIER spricht die erste polnischstämmige Bundespolitikerin und heutige Parteisprecherin für Menschenrechte über die Anlaufschwierigkeiten eines 10-jährigen Mädchens in seiner neuen Heimat, den Rassismus in Österreich und ihre Vorbildfunktion als erfolgreiche homosexuelle Frau.

Du bist mit zehn Jahren nach Österreich gekommen. Wie ist das eigentlich, wenn man sein Zuhause verlässt und einen Neuanfang macht?

Ewa Ernst-Dziedzic: Das war sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite sehr dramatisch für mich, als zehnjähriges Kind aus der vertrauten Umgebung herausgerissen worden zu sein. Auf der anderen Seite habe ich sehr viel Verantwortung übertragen bekommen von meinen Eltern. Ich war als 10-Jährige die Älteste, meine Schwestern waren jünger. Wir kannten die Sprache nicht. Wir hatten keine Wohnung, keine Schule, keine Arbeit, nichts. Wir sind kurz nach dem Mauerfall mit fünf Koffern nach Wien gekommen. Man hat mir gesagt: "Du musst uns jetzt einfach helfen, dieses neue Leben mit aufzubauen". Auf der einen Seite stand ich unter großem Druck, jetzt erwachsen zu sein, rational zu denken und meine Eltern zu unterstützen. Auf der anderen Seite war ich trotzdem ein Kind, das herausgerissen wurde aus einem Umfeld, Freundeskreis, Schule - und das sich plötzlich nicht verständigen kann.

Wie kommt denn ein 10-jähriges Mädchen mit solch einem Druck zurecht?

Unsere erste Wohnung in Favoriten war 25 Quadratmeter groß. Meine Eltern haben mir am ersten Tag in Wien den Schlüssel umgehängt und zehn Schilling gegeben und waren außer Haus. Ich bin zum Mondo gegangen, habe Semmeln gekauft und meine zwei kleinen Schwestern in den Park mitgenommen. Ich weiß nicht, wie ich das gemacht habe, aber es war dann so plötzlich irgendwie natürlich, das alles zu bewältigen. Einfach ist das für Kinder aber nicht.

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