EU-Westbalkan-Gipfel: Studie zeigt kaum Wandel durch Handel

EU-Westbalkan-Gipfel: Studie zeigt kaum Wandel durch Handel
Die bisherige Strategie der EU, die einen neun Milliarden Euro schweren Wirtschaftsplan vorsieht, erwies sich als nicht erfolgreich.

Die wirtschaftliche Integration auf dem Westbalkan ist nur schwach ausgeprägt und hat bisher kaum Wohlstandsgewinne gebracht. "Kaum Wandel durch Handel", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und der Bertelsmann Stiftung. Den neun Milliarden Euro schweren Wirtschaftsplan der EU, der private Investitionen von 30 Milliarden Euro generieren soll, sehen die Autoren kritisch.

"Das ist Zweckoptimismus", warnt Richard Grieveson, Co-Autor der Studie und stellvertretender wiiw-Direktor, im Vorfeld des EU-Westbalkan-Gipfels im slowenischen Brdo bei Kranj. Das EU-Wirtschaftspaket werde "an der deplorablen ökonomischen Situation am Westbalkan wenig ändern". So sehr zusätzliche Mittel und die im Plan vorgesehene Ökologisierung und Digitalisierung der Volkswirtschaften zu begrüßen seien, so wenig habe das in der Vergangenheit funktioniert, monierte Grieveson.

"Die bisherige Strategie der EU, durch regionale ökonomische Integration den wirtschaftlichen Aufholprozess der Westbalkanstaaten zu forcieren und politische Konflikte zu lösen, war nicht erfolgreich", meint auch Stefani Weiss, EU-Expertin der Bertelsmann Stiftung in Brüssel. Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien würden den ost- und südosteuropäischen EU-Mitgliedern ökonomisch weit hinterherhinken. Gleichzeitig belaste das Erbe der jugoslawischen Zerfallskriege ihre Beziehungen nach wie vor schwer.

Breite Kluft

Laut der Studie zeigten die in den 2000er-Jahren abgeschlossenen bilateralen Handelsabkommen einen leicht positiven Effekt, die Exporte in die Region stiegen um rund 14 Prozent. Die spätere Teilnahme am Central European Free Trade Agreement (CEFTA) habe die Exporte um 38 Prozent erhöht. Dennoch habe sich dies auf die wirtschaftliche Entwicklung nicht sonderlich ausgewirkt. "Das BIP der Region ist nach wie vor sehr niedrig - insgesamt etwa so hoch wie jenes der Slowakei. Die potenziellen Gewinne aus einem verstärkten regionalen Handel haben sich also kaum materialisiert", sagte Grieveson.

"Die Kluft zu den neuen EU-Mitgliedern in Osteuropa hat sich vergrößert, was besorgniserregend ist, schließlich sollten arme Länder schneller wachsen als reiche", analysierte Grieveson. So liegt das BIP pro Kopf am Westbalkan bei lediglich 20 bis 40 Prozent des deutschen Niveaus und damit weit unter jenem der meisten osteuropäischen EU-Mitglieder. Daran hätten auch die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU wenig geändert. In rund 20 Jahren haben sich laut Studie die Exporte der Westbalkanstaaten in die EU um nicht einmal ein Viertel erhöht. Die Direktinvestitionen aus der EU seien im selben Zeitraum um etwa 46 Prozent gestiegen - "ein sehr bescheidener Wert, vergleicht man das mit dem sprunghaften Anstieg der Direktinvestitionen aus der EU in Polen, Tschechien, der Slowakei oder Ungarn vor ihrem EU-Beitritt. Von einem Aufholprozess kann bisher also kaum die Rede sein", konstatierte Grieveson.

Zwar konnten die Westbalkanstaaten erfolgreich an die transeuropäischen Verkehrs- und Energienetze angeschlossen werden. Trotzdem existierten nach wie vor große Lücken, nicht zuletzt bei schnellem Internet. Mit China sei außerdem ein Akteur auf den Plan getreten, der den Europäern zunehmend Kopfschmerzen bereite. Immerhin würden sich Chinas angekündigte Infrastrukturinvestitionen in der Region auf rund sieben Milliarden Euro belaufen.

Serbiens Schlüsselrolle

Um die wirtschaftliche Entwicklung der Westbalkanstaaten voranzutreiben, empfiehlt die Studie eine möglichst umfassende ökonomische Anbindung an die EU. "Gerade weil ein Vollbeitritt für die meisten aus politischen Gründen in immer weitere Ferne rückt, muss Brüssel ihnen eine Alternative bieten", so Weiss. Die Kohäsions- und Strukturfonds sowie andere Finanzinstrumente der EU für die Westbalkanstaaten zu öffnen, wäre eine Möglichkeit. Angesichts ihrer geringen Wirtschaftsleistung von zusammen nicht einmal 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU fiele das für die Nettozahler kaum ins Gewicht. Auch die Integration in die EU-Zollunion und eine Ausweitung der bestehenden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wäre nach Ansicht der Studienautoren sinnvoll.

"Wenn die EU den Westbalkan aber tatsächlich stärker integrieren möchte, muss sie viel stärker darüber nachdenken, wie sie das Kalkül Serbiens, des Hauptakteurs in der Region, ändern kann", meinen die Autoren. Die Unterstützung für einen EU-Beitritt sei in Serbien wesentlich geringer als in den anderen Ländern, so Weiss. "Serbien als wirtschaftliches und politisches Schwergewicht in der Region spielt in jeder Hinsicht eine Schlüsselrolle", so Grieveson.

Kommentare