Ein Impfpflicht-Gegner verlässt Österreich: "Leid vom Psycho-Terror"
Die ersten machen Ernst. Immer mehr unzufriedene Menschen machen ihre "Drohung" wahr - und kehren Österreich den Rücken. Zumindest vorerst. Schuld geben sie der hiesigen Regierung, die die Einführung der Impfpflicht verantwortet.
Wenige Wochen nachdem der KURIER in Erfahrung gebracht hat, dass eine Krankenpflegerin ihren Job in einem Wiener Altersheim gekündigt hatte und in ihre bosnisch-herzegowinische Heimat zurückgekehrt ist, wird ein Landsmann denselben Weg antreten. Ein Rückfahrticket wird Eldar S. (Anm.: Name von der Redaktion geändert) nicht im Gepäck haben. Für eine "unbestimmte Zeit" verlasse er das Land, in dem er seit 30 Jahren lebt. Es wird eine schmerzhafte Reise, denn der "Impfpflicht-Gegner", so möchte er bezeichnet werden, trete sie gegen seinen Willen an.
Doch bevor er aufbricht, wolle er den Ungeimpften ein Gesicht verleihen. Warum er dann das Gesicht nicht herzeigen wolle? "Meine Eltern äußerten Sorge um meine Sicherheit. Die Stimmung gegen uns Ungeimpfte ist in diesem Land bekanntlich aufgeheizt", erklärt der Anfangvierziger nervös. Vor diesem Gespräch habe er nicht schlafen können, so groß sei die Aufregung gewesen.
Die Schuld
In den letzten drei, vier Monaten sei die Entscheidung, Österreich zu verlassen, in ihm gereift. "Seit der 2-G-Einführung ist es meiner Meinung nach zu einer Gesellschaftsspaltung gekommen. Wir, die Ungeimpften, sind quasi zu Schuldigen für alles erklärt worden - von der Politik, von den Medien, von einigen Freunden", erklärt der auf der Bank eines in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Parks. Er könne sich nicht frei bewegen, verspüre aber auch keine Lust mehr, unter die Leute zu gehen. Was sich in der Gesellschaft abspiele, gefalle ihm nicht.
"Dass es so schnell geht, die Leute zu spalten, gegeneinander aufzuhetzen ...", wundert sich der selbständige Softwareentwickler, der seine laufenden Projekte auf Eis gelegt hat. Die ständigen Schuldvorwürfe von allen Seiten hätten bei ihm einen derartigen psychischen Druck aufgebaut, dass er nicht mehr arbeiten konnte.
Schuld. Im Laufe des Gesprächs greift er immer wieder auf diesen Begriff zurück. "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir Ungeimpfte tatsächlich an allem schuld sind. Denn ich möchte erinnern, dass wir kein Gesetz gebrochen haben, eigentlich hatten wir nur eine freie Wahl", sagt Eldar S. und greift zum wiederholten Male zur Zigarettenschachtel am Parktisch. Nach einer kurzen Pause räumt er ein: "Vielleicht sind wir dumm gewesen, vielleicht haben wir wirklich alles nicht verstanden. Das war der einzige Fehler, den man uns quasi vorwerfen kann". Dafür werden sie nun bestraft, glaubt er. Und klagt an: "Meiner Meinung nach werden wir diskriminiert".
Ängste und Sorgen
Ihm und seinen Gleichgesinnten seien das Gesicht und die Stimme weggenommen worden. "Wir kommen in den Medien gar nicht mehr vor. Man hört immer wieder, wovor Geimpfte Angst haben, wovor sie sich fürchten. Aber auch wir haben unsere Ängste und Sorgen", beichtet er, während sein nervöser Blick über den leeren Park schweift.
In dieselbe Schublade wie die "klassischen Impfgegner" möchte er nicht gesteckt werden, betont er. An einer Corona-Demo habe er niemals teilgenommen. "In Österreich werden die Demos politisch missbraucht", urteilt er. Mit Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretikern und Esoterikern möchte er nichts zu tun haben. Ein Impfgegner sei er seiner Auffassung nach gar nicht. Im vergangenen Jahr habe er sogar einen Impftermin gebucht, diesen aber sausen lassen, nachdem die Schwierigkeiten mit dem ihm zugeteilten Impfstoff Astra Zeneca aufgetaucht waren. "Ich habe mich um einen anderen Impfstoff bemüht, doch zu Beginn des Impfprozesses war das nicht so einfach. Also entschied ich mich zu warten".
Seine Freundin, die Eltern und die meisten engen Freunde seien geimpft. Er wäre es auch gewesen, wenn die freiwillige Entscheidung dafür nicht der Pflicht gewichen wäre. Eldar S. würde sich auch nun impfen lassen - wenn man ihn nicht, wie er das nennt, erpressen würde. "Für mich ist es so, als würde man mich zwingen, zu einer Religion zu konvertieren".
"Anfangs war bei mir eine gesunde Skepsis da, später kamen die Zweifel an der Wirkung der Impfung", erinnert sich Eldar S. Entscheidend dafür, dass er sich gegen den Stich entschied, sei der schwankende Kurs der Regierung und ihre Maßnahmen gewesen. "Auf Repressalien dieser Art lasse ich mich nicht einreden. Ich hatte nicht nur das Gefühl, es geht um meine Gesundheit, sondern nur um meine Impfung", erklärt er.
Verletzt
Das habe ihn verletzt, ebenso wie mehrere Aussagen der Politiker aus der Führungsriege. "Die Ungeimpften werden kollektiv beschuldigt, ohne Unschuldsvermutung, ohne einen kausalen Zusammenhang. Wir werden einem Psycho-Terror ausgesetzt", beklagt der Bosnier. Er sei verletzt. So verletzt, dass er für eine Weile in ein Land zieht, in dem die Impfpflicht kein Thema ist. Er habe vor, zurückzukehren, wenn das auch in Österreich der Fall ist.
Seine langjährige Freundin habe auch überlegt, ihm nach Bosnien und Herzegowina zu folgen. Wegen der Arbeit müsse sie aber in Wien bleiben. Vorerst. "Wir sehen uns langfristig in Wien. Ich habe aber Angst davor, dass Auswandern tatsächlich eine Option sein könnte, sollte sich hier nichts ändern und Österreich nicht von der Pflicht abrückt - anstatt auf Dialog zu setzen".
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