Skepsis unter den Lehrkräften
Denn hinter dem hippen Namen steckt ein ganzes System mit einem klaren Ziel. "Wir haben eine Maximalforderung in unserem Haus: Wir wollen Lehrerinnen und Lehrer, die diese Umwelt verstehen", erklärt die studierte Anthropologin, die ein alteingesessenes Berufsbild ändern will. Barbara Herzog-Punzenberger: "Da geht es um die Beantwortung der Fragen wie:
- Was ist die Geschichte der Kinder?
- Wie ist die Lernausgangslage dieser Kinder?
- Was prägt den Alltag der Kinder und Jugendlichen, mit denen ich zu tun habe?
- Kann ich als Pädagog:in an die Lebensrealität der Schüler:innen anknüpfen?"
Zudem sollen Pädagogen lernen, Migration als gesellschaftliche Realität wahrzunehmen. Verstehen können, was sie mit unserer Geschichte, der Geschichte des Nationalstaats zu tun hat. "Es sollte ein Grundlagenwissen da sein, damit man das einordnen kann. Das ist nicht naturgegeben", sagt die Rektorin, die sich anbahnender Herausforderungen sehr wohl bewusst ist.
"Für uns ist es eine enorme Kraftanstrengung, so ein Projekt umzusetzen", sagt Herzog-Punzenberger. Denn viele Pädagoginnen und Pädagogen sind noch skeptisch. "Das ist aber selbstverständlich und dürfte in einem anderen Beruf nicht anders sein: Wenn jemand kommt und dir sagt, dass du es künftig anders machen musst, dann vermutest du dahinter einen Riesenaufwand."
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"Im Schulsystem tut sich etwas. Entwicklung braucht aber Zeit"
Ein Aufwand, der im heutigen gesellschaftlichen Kontext, in dessen Mittelpunkt auch die Migration steht, aber betrieben werden müsse, sagt Herzog-Punzenberger. "Es muss doch eine Zeit geben, eine Phase, wo migrationsbezogene Diversitätsaspekte im Vordergrund stehen, damit sie überhaupt einmal gesehen und wahrgenommen werden." Und die sei jetzt. Ihr für Hochschulentwicklung, Forschung und Internationalisierung zuständiger Vizerektor Norbert Kraker ist überzeugt, dass "wir eine neue Haltung erzeugen werden. Denn wir wollen, dass Kinder sich entwickeln können, egal woher sie kommen". Deshalb diskutiere man nun ein neues Lehrer:innenbild. "Dieses sieht vor, dass diese schon mehr können müssen", sagt Kraker.
Der neuen PH-Leitung kommt dabei gelegen, dass die Pädagog:innen immer diverser werden. Etwa 25 Prozent der Studierenden der Pädagogischen Hochschule Wien haben mittlerweile eine Migrationsgeschichte. Anfang der 2000er-Jahre seien es noch unter einem Prozent gewesen. "Da hat sich viel getan im Zeitraum von 20 Jahren", sagt die Rektorin. Noch höher falle dieser Anteil bei Freizeitpädagog:innen aus. "Wir bilden jetzt im Jahr 200 Freizeitpädagog:innen aus. Beworben haben sich aber 1.000 - sehr viele davon mit Migrationshintergrund", erklärt Vizerektorin Elisabeth Sieberer. Sie ist sich sicher: "Im Schulsystem tut sich etwas. Entwicklung braucht aber Zeit."
"Es muss ein Teil des Systems sein"
Das erste Projekt, das in diese Richtung geht, ist jenes von Herzog-Punzenberger aber nicht. Seit Jahrzehnten gebe es Menschen, die im Bereich der Diversität an Schulen etwas bewirken wollen und daran arbeiten. Das seien aber nur kleinere Einzelprojekte und somit etwas anderes, sagt Herzog-Punzenberger.
Bei der Pädagogischen Hochschule sei dagegen die ganze Organisation darauf ausgerichtet. "Es muss ein Teil des Systems sein. Das macht den Unterschied.“ Dass das Projekt auch tatsächlich einen Unterschied macht, bleibt zu hoffen. Der Wunsch: Eine führende Rolle in dem Bereich einzunehmen. "Es wird auf uns geschaut, denn wir sind die größte Pädagogische Hochschule in Österreich. Wir hoffen, dass wir auch diese Wirkung entfalten können, dass uns andere nachfolgen", sagt Barbara Herzog-Punzenberger.
Nur dann könne es irgendwann auch in Österreich zur Selbstverständlichkeit werden, dass auch einmal der Onkel statt des Papas zum Elternsprechtag erscheint.
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