Slow Food: Genuss durch Langsamkeit
Ob wir selbst kochen oder in einem Restaurant essen – Essen ist fundamentaler Bestandteil unseres Lebens. In unserer heutigen schnelllebigen Welt ist Fast Food allgegenwärtig und für viele Menschen die bevorzugte Option, wenn es darum geht, schnell satt zu werden. Doch es gibt eine Bewegung, die als Gegenpol zu dieser Hektik steht: Slow Food. Die Idee ist nicht neu, aber sie gewinnt in der modernen Gesellschaft immer mehr an Bedeutung – und das gilt auch für Österreich.
Slow Food statt Fast Food
Slow Food (engl. slow – langsam; food – Essen) ist ein Begriff, der von einer gleichnamigen Organisation als Ausdruck für genussvolles, bewusstes und regionales Essen geprägt wurde und eine Gegenbewegung zum Trend des uniformen, globalisierten und genussfreien Fast Food bezeichnet.
Die Organisation Slow Food wurde im Juli 1986 in Italien von Carlo Petrini gegründet. Auslöser für die Gründung waren erfolgreiche Proteste gegen die Eröffnung einer McDonald’s Filiale direkt an der Spanischen Treppe in Rom. Unter der Leitung von Carlo Petrini ging es darum, die traditionelle lokale Küche, die Qualität der Lebensmittel und eine nachhaltigere Form der Landwirtschaft zu fördern. Seitdem hat sich die Bewegung in über 160 Ländern ausgebreitet und zählt weltweit Hunderttausende von Mitgliedern. „Zwei Dinge“, sagt Carlo Petrini, „sind in meinem Leben wichtig: die Liebe und das Essen. Und beides muss langsam gehen“. Slow Food – die Langsamkeit beim Essen - ist also ein Bekenntnis zu Genuss und Lebensfreude, deshalb auch die Schnecke als Leitmotiv.
Buono, pulito e giusto – gut, sauber und gerecht
Das sind die Maßstäbe der Slow Food Bewegung! Unsere Lebensmittel sollen gut sein in ihrem Geschmack und ihrer Qualität, sauber sein in Hinblick auf unsere Gesundheit und im Sinne einer nachhaltigen Produktionsweise, die Mensch und Tier respektiert; und sie sollen fair sein, sodass die Produzenten für ihre Arbeit gerecht entlohnt werden. Wenn ein Element fehle, sei das laut Petrini, nicht Slow Food. Wir wollen nicht nur Konsumenten sein, sondern betrachten uns selbst als Co-Produzenten, also als Mitwirkende des Produktionsprozesses in dem Sinne, dass wir uns informieren:
- wie unsere Lebensmittel hergestellt werden,
- wer sie herstellt und dass
- wir die Produzenten mit dem Kauf ihrer Produkte aktiv unterstützen.
Genuss erleben zu dürfen gehört für Slow Food zu den Rechten eines jeden Menschen. Schmackhaftigkeit und damit auch Gesundheit von Lebensmitteln sei damit kein Luxus und dürfe auch nicht vom Einkommen abhängen. Allerdings, dessen sind sich die langsamen Genießer auch bewusst: Qualität braucht Zeit – und ist deswegen nicht immer preiswert.
Die Ziele der Slow Food-Bewegung
- Der Genuss steht im Mittelpunkt, weil jeder Mensch ein Recht darauf hat.
- Qualität braucht Zeit.
- Die ökologische, regionale, sinnliche und ästhetische Qualität ist Voraussetzung für Genuss.
- Geschmack ist keine Geschmackssache, sondern eine historische, kulturelle, individuelle, soziale und ökonomische Dimension, über die durchaus gestritten werden soll.
Für Slow Food ist Genuss untrennbar mit hoher Verantwortung verbunden: Die Kultur der Menschen in den Regionen, ihr handwerkliches Können und Wissen sowie ihre sozialen Netzwerke in Produktion, Verarbeitung und Handel haben die Landschaften und ihre Produkte geprägt. Ihr Erhalt ist eine Voraussetzung wahren Genusses. Slow Food steht für Produkte mit authentischem Charakter (regional, saisonal), die auf traditionelle oder ursprüngliche Weise hergestellt und genossen werden. Lebensmittel, die nach Slow-Food-Kriterien angebaut, produziert, verkauft oder verzehrt werden, sollen regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und Menschen wieder mit Auge, Ohr, Mund und Händen an ihre Region binden.
Eine weitere Voraussetzung ist der respektvolle Umgang mit Nutztieren. Reduziert auf bloße Fleisch- und Milchlieferanten, werden Geschöpfe zu „Dingen“, die beliebig ausgebeutet werden können, heißt es in den Grundsätzen der Bewegung. Slow Food betreibt auch intensiv Aufklärungsarbeit zu Themen wie Risiken des Fast Foods und industriell erzeugter oder veränderter Lebensmittel sowie Massentierhaltung, Agrarfabriken und Gefahren der Monokulturen mit vermehrtem Chemikalieneinsatz und erhöhtem technologischem Aufwand. Slow Food steht außerdem für politische Lobbyarbeit und Verbraucherschutz im Lebensmittelbereich. Die Mitglieder setzen sich aktiv gegen die Anwendung von Pestiziden ein und engagieren sich im Umweltschutz. Slow Food setzt sich weltweit und auch besonders in Österreich für eine gentechnikfreie Landwirtschaft ein.
Slow Food in Österreich
In Österreich hat Slow Food ebenfalls Fuß gefasst. Der Verein "Slow Food Austria" verlinken mit setzt sich für die Erhaltung der kulinarischen Vielfalt und der Qualität von Lebensmitteln ein. Das Spektrum reicht von traditionellen bäuerlichen Erzeugnissen bis hin zu modernen Interpretationen der österreichischen Küche. Durch Bildung, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit will die Organisation ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von gutem, sauberem und fairem Essen schaffen.
- Steirisches Kürbiskernöl: In der Steiermark ist eines der Aushängeschilder des Slow Foods das Kürbiskernöl. Das "schwarze Gold" wird traditionell hergestellt und ist ein wesentlicher Bestandteil der regionalen Küche.
- Tiroler Graukäse: Im Bergland Tirol hat sich der Tiroler Graukäse als ein Beispiel für Slow Food etabliert. Hergestellt aus Buttermilch, ist dieser Käse ein echtes regionales Produkt mit charakteristischem Geschmack.
- Heurige und Wiener Küche: Die Wiener Heurigen sind nicht nur Orte der Geselligkeit, sondern auch Beispiele für Slow Food. Hier kommen lokale Weine und hausgemachte Spezialitäten wie Wiener Schnitzel oder Apfelstrudel auf den Tisch.
- Vorarlberg: Bergkäse: In Vorarlberg wird der traditionelle Bergkäse in kleinen Sennereien hergestellt. Die Kühe werden mit natürlichen Futterquellen versorgt, und der Käse reift über Monate in natürlichen Höhlen.
In der österreichischen Slow-Food-Szene finden sich viele kleine Geschichten, die zeigen, dass bewusster Genuss und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Es lohnt sich also, die Geschwindigkeit zu drosseln und die Vielfalt der regionalen österreichischen Küche zu entdecken.
Weitere Aktivitäten von Slow Food
Slow Food veranstaltet auch bedeutende Fachmessen wie zum Beispiel die „Cheese“ in Bra und den „Salone del Gusto“ in Turin, die alle zwei Jahre stattfinden. 2004 gab es erstmals parallel zum Salone del Gusto das Treffen „Terra Madre“, zu dem 4600 Bauern aus aller Welt unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles zusammenkamen. 2006 fand das zweite Treffen statt, das um Spitzenköche und Wissenschaftler erweitert wurde.
Global denken, lokal essen
Die Slow-Food-Bewegung ist weder weltanschaulich noch parteipolitisch gebunden. Um mitmachen zu können, müssen Sie auch nicht gleich Mitglied werden: Die Veranstaltungen der Regionalgruppen sind für alle Interessierten offen.
- Verkostungen von z.B. Wein, Kartoffeln, Käse, Ölen, „alte Sorten“ von Obst und Gemüse
- Gemeinsames Kochen
- Organisation von Bauernmärkten und/oder lokalen Terra Madre Days
- Produzentenbesuche und Tipps zu hochwertigen Einkaufsquellen
- Aktionen zur Rettung regionaler Produkte – Arche des Geschmacks
Slow Food Österreich kümmert sich in diversen Arche des Geschmacks-Projekten um den Erhalt von seit Jahrhunderten bestehenden Köstlichkeiten und Raritäten wie steirisches Grubenkraut, Lungauer Tauernroggen, Wachauer Safran, Bregenzerwälder Bergkäse, Lungauer Rahmkoch, Pielachtaler Dirndl aus Wildsammlung, die Riesen von Aspern, Sulmtaler Huhn, Wiener Schnecke uvm. Informationen über die Arche-Produkte und Presidi-Projekte weltweit finden Sie auf der Homepage der Slow Food Stiftung für biologische Vielfalt, unter www.slowfoodfoundation.org.
Genießen mit Verstand
Slow Food bedeutet, der täglichen Ernährung die ihr zustehende Bedeutung beizumessen. Lernen Sie die zahlreichen Rezepte und Geschmacksnuancen wieder schätzen, informieren Sie sich über die Herkunft und die Hersteller der Produkte, den Rhythmus der Jahreszeiten und respektieren Sie die Bedeutung der verschiedenen Ess-Rituale. Wenn wir in einem Atemzug von Verantwortung und Genuss sprechen, werden wir vielleicht nicht sofort verstanden, doch sicher wohlwollend angehört. Mit jedem Kauf oder Konsum entscheiden wir, ob wir zur Erhaltung dieses vielschichtigen Begriffs von „Vielfalt“ beitragen und ob wir genussreiche Vielfalt fördern, oder nicht. Zudem müssen wir uns gerade im Hinblick auf unsere Verantwortung gegenüber unseren Kindern bewusst sein: Geschmack wird in der frühen Kindheit geprägt! Wer von Kindesbeinen an die Fülle an Geschmäcken kennenlernt, wird auch später die Qualität und Vielfalt schätzen.
Sie wollen Mitglied werden oder eine SLOW FOOD Veranstaltung besuchen?
Wenn jetzt Ihr Interesse an Slow Food geweckt wurde und Sie die Organisation unterstützen wollen, finden Sie mehr Infos hier https://www.slow-food.at/unterstuetzen
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