Grubenkraut, Breinwurst und Gebsenbergkäse: Slow Food und die Arche des Geschmacks
Österreich ist nicht nur ein Land der Berge und Seen, sondern auch ein Land mit einer vielfältigen kulinarischen Landschaft. Neben weltbekannten Klassikern wie dem Wiener Schnitzel oder der Sachertorte gibt es unzählige regionale Spezialitäten, die oft von Generation zu Generation weitergegeben werden. Slow Food, eine globale Bewegung, die sich dem Erhalt der lokalen Küche und nachhaltigen Landwirtschaft widmet, hat in Österreich in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Ein besonders interessantes Projekt dieser Bewegung ist die "Arche des Geschmacks", die es sich zur Aufgabe gemacht hat, fast vergessene Lebensmittel, Tierarten und traditionelle Herstellungsverfahren zu erhalten und zu fördern.
Was ist die Arche des Geschmacks?
Die Arche des Geschmacks ist ein Projekt von Slow Food, das 1996 ins Leben gerufen wurde. Die Idee dahinter ist, eine Art "Noahs Arche" für bedrohte Lebensmittel zu schaffen. Es handelt sich dabei um eine Datenbank, in der Produkte, die vor dem Aussterben stehen, dokumentiert und gefördert werden. Diese Produkte sind oft das Ergebnis jahrhundertelanger Tradition und haben eine enge Verbindung zur Kultur und Geschichte der Region, aus der sie stammen.
Slow Food und Arche des Geschmacks in Österreich
Slow Food Austria und seine regionalen Convivien (lokale Gruppen) sind aktive Botschafter der Arche des Geschmacks. Sie setzen sich für die Erhaltung der kulinarischen Vielfalt Österreichs ein und fördern im Sinne der Biodiversität die Aufnahme bedrohter oder vergessener Lebensmittel in die Arche des Geschmacks. So werden wichtige Lebensmittel, Nutztierarten, Kulturpflanzen sowie traditionelle Zubereitungsarten vor dem Vergessen und Verschwinden geschützt. In Österreich umfasst diese Liste über 60 Lebensmittel. Hier finden Sie einige Porträts zu diesen besonders schützenswerten Lebensmitteln.
Vorarlberg: Bregenzerwälder Gebsenbergkäse
In der modernen Käseproduktion ist die Verwendung von Holz verboten. Der Bregenzerwälder Gebsenbergkäse wird traditionell in Holzgefäßen, den sogenannten Gebsen, in denen die Milch über Nacht steht, hergestellt. Rund 120 Familienbetriebe stellen den würzigen Bergkäse in Handarbeit her. Naturbelassene Rohmilch wird abends frisch gemolken und ungekühlt in Gebsen über Nacht stehengelassen. Diese Milch kommt dann mit der Morgenmilch in einen Kupferkessel, wo sie leicht erhitzt und Lab zugesetzt wird. Die körnige Dickmilch wird dann bis zur gewünschten Konsistenz weiter erhitzt, danach wird der Käse gepresst und in Salzlake gelegt, wo die Laibe bis zu 2 Jahre gelagert werden. Der Bregenzerwälder Gebsenbergkäse zeichnet sich durch würzig-aromatischen Geschmack aus, der vom Futter kommt, das traditionell nur aus frischem Gras oder Heu und nicht aus Silage besteht.
Steiermark, Burgenland: Breinwurst
Die Breinwurst war ein beliebtes Rezept zur Resteverwertung und gilt bis heute als besondere Spezialität. Katharina Prato, Doyenne der klassischen österreichischen Küche, beschrieb bereits 1869 eine Version der Kochwurstspezialität, die aus gekochtem (Schweine-)fleisch und Getreide (Buchweizen, Hirse oder Rollgerste) besteht, welches in Bratwurstdärme gefüllt oder auch knödelförmig in Schweinsnetze gerollt wird. Der Begriff „Brein“ steht für Hirsebrei bzw. Hirse, aber auch für Rollgerste (Gerstbrein) oder Buchweizen (Heidenbrein) und gibt der Wurst ihren Namen. Die Wurst wird aus Nebenprodukten bei der Schlachtung hergestellt, Teile vom Kopffleisch und Innereien werden verarbeitet. Es gibt schwarze und weiße Breinwürste, je nachdem, ob Blut zugegeben wird oder nicht. Serviert wird die Breinwurst gebraten mit Sauerkraut und Kartoffeln, sie ist auch ein beliebtes Hochzeitsessen.
Steiermark: Grubenkraut
Fast vergessen, doch ein steirischer Bauernhof hat die Tradition des Grubenkrauts wiederbelebt. Ganze Krautköpfe werden in einem speziellen Fermentierverfahren durch natürliche Lakto-Fermentation und ohne Zugaben von Salz oder anderen Gewürzen „in der Grube“ vergoren. Das fertige Kraut hat einen milden Geschmack, leicht prickelnder Säure und einen zarten Biss. Das „Gruamkraut“ oder „Ohlakraut“, wie es im Volksmund genannt wird, hat eine lange Geschichte und wird aktuell wieder in den Fischbacher Alpen und im angrenzenden Wechselgebiet hergestellt. Die Krautgruben („Kraut-Ohla“) aus Holz oder Stein sind etwa vier Meter tief. Die ganzen Krautköpfe werden blanchiert, in der Sonne gebleicht und dann auf den Boden der Gruben, wo sich Schotter und Stroh, die bei der Säuberung der Krautköpfe entfernten Blätter und ein Leinentuch befinden, geschlichtet. Bedeckt werden die Krautköpfe ebenfalls mit Stroh, Krautblättern und einem Deckel, der mit rund 400 Kilogramm Gewicht beschwert wird. Nach 4-5 Monaten ist das Grubenkraut reif und im Frühling, ab ca. April, erhältlich. Vor dem Verkauf wird es gewaschen und sehr dünn geschnitten, aber auch ganze Blätter werden verkauft. Zubereitet wird das Grubenkraut traditionell mit Zwiebeln, Grammeln und Speck und mit oder ohne Mehlschwitze gedünstet. Sehr gut schmeckt auch lauwarmer Krautsalat.
Die Arche des Geschmacks und die Slow-Food-Bewegung spielen eine wichtige Rolle in der Erhaltung des kulinarischen Erbes Österreichs. Sie schaffen Bewusstsein für die Bedeutung der lokalen Produkte und fördern nachhaltige Anbaumethoden. Dabei geht es nicht nur darum, alte Rezepte und Herstellungsverfahren zu bewahren, sondern auch darum, Produzenten zu unterstützen, die sich dem Erhalt der biologischen und kulturellen Vielfalt widmen.
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