Upskirting: Handy-Spanner am Rande der Legalität

Moderne Handys bieten Voyeuren neue Möglicheiten – schnell ist ein Foto gemacht.
Wenn Männer Frauen unter den Rock fotografieren, können sich Betroffene juristisch kaum wehren. Jetzt wird über strengere Gesetze diskutiert.

Vertieft in ihr Handy steht eine junge Frau neben einer Haltestange in einem halb vollen U-Bahn-Abteil. Langsam schiebt ein Fahrgast, der hinter ihr auf einer Bank sitzt, sein Smartphone unter das Sommerkleid der Frau – um ein Foto zu machen. Ein Video der Szene, die sich vermutlich in einer asiatischen Stadt ereignet hat, verbreitete sich kürzlich im Internet.

Darin dokumentiert wird ein Fall von Upskirting (vom englischen Wort "skirt" für "Rock") – so nennt man es, wenn der Intimbereich ohne Einverständnis abgelichtet wird. Die Fotos werden oft in einschlägigen Online-Foren oder auf Pornowebseiten hochgeladen. Nicht selten sind darauf auch die Gesichter der Frauen erkennbar.

Passiert ist das auch Hanna Seidel. Als die Deutsche im Alter von 16 Jahren auf einem Festival war, bemerkte sie plötzlich eine Hand zwischen ihren Beinen. Obwohl der Vorfall bereits 16 Jahre her ist, kann sie sich noch genau an den Moment erinnern. Als sie sich damals umdrehte, "habe ich noch gesehen, wie jemand seinen Arm mit einer Kamera weggezogen hat". Polizisten, die in der Nähe waren, hätten ihr daraufhin erklärt, ihr nicht helfen zu können.

Rechtliches Dilemma

In Deutschland gibt es – wie auch hierzulande – keinen eigenen Straftatbestand für Upskirting. Um sich dagegen wehren zu können, muss man den Übergriff zunächst einmal bemerken. Wenn sich der Täter weigert, die Bilder zu löschen, kann man beispielsweise zivilrechtlich gegen ihn vorgehen. Wer privat eine Klage einbringt, muss sich auf ein kostspieliges Verfahren einstellen (siehe Infobox unten). Verliert man den Prozess, muss man für diesen zur Gänze aufkommen.

Damit betroffene Frauen in einem solchen Fall nicht länger ein finanzielles Risiko eingehen müssen, kämpft Hanna Seidel nun für einen eigenen Straftatbestand für Upskirting. Zusammen mit der Aktivistin Ida Marie Sassenberg (auch sie wurde Opfer von Upskirting) hat die Studentin eine Petition gestartet. Rund 84.000 Menschen haben diese auf der Aktivismus-Plattform Change.org bisher unterschrieben.

Mit der Aktion zielen die beiden Frauen nicht nur auf Upskirting: Auch Downblousing (In-die-Bluse-Fotografieren) und Upkilting (Unter-den-Schottenrock-Fotografieren) sollten ihrer Meinung nach strafbar sein. In Schottland, wo Männer traditionell Wickelröcke tragen, ist Upskirting bereits seit zehn Jahren verboten.

Mit der Unterschriftenaktion folgen Seidel und Sassenberg dem Beispiel von Gina Martin aus Großbritannien. Auch ihr wurde vor drei Jahren bei einem Konzert unter den Rock fotografiert. Martin gelangte an das Handy der Täter und brachte es zur Polizei. Diese erzwang die Löschung der Bilder. Weitere Konsequenzen blieben mangels erfülltem Straftatbestand aus.

Martin initiierte daraufhin eine Petition, die es auf mehr als 110.000 Unterschriften brachte. Angetrieben durch großes öffentliches Interesse legte die Regierung dem Parlament einen Gesetzesentwurf vor. Seit einigen Monaten werden Upskirting-Aufnahmen mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft; erste Verurteilungen gibt es bereits.

Offizielle Zahlen, wie vielen Frauen in Österreich ungewollt unter den Rock oder in die Bluse fotografiert wird, gibt es nicht. Einen eigenen Straftatbestand zu schaffen, hält Juristin Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien für "unverhältnismäßig". "Das gerichtliche Strafrecht ist dafür gedacht, schwere Eingriffe in Rechtsgüter (zum Beispiel Leben, Gesundheit oder Freiheit) zu sanktionieren, wo Zivil- und Verwaltungsrecht nicht ausreichen", sagt die Expertin. Mit dem Tatbestand der sexuellen Belästigung, bei dem es zu Körperkontakt kommt, sei Upskirting nicht vergleichbar.

Löschung erzwingen

Das Justizministerium erklärt auf Anfrage, dass heimliche Aufnahmen des Intimbereichs bereits jetzt über einen Verwaltungsstraftatbestand erfasst sind (siehe rechts). Behördlich Strafen zu verhängen, hält auch Beclin für sinnvoll. "Dann kann die Polizei eingreifen, die Daten aufnehmen und eine Löschung der Bilder erzwingen. Das ist für betroffene Frauen effektiver als ein Privatanklagedelikt", sagt Beclin, die selbst noch keine Anfragen zu Upskirting bekommen hat.

Die Kritik, Upskirting sei ein Randphänomen, kann Seidel nicht nachvollziehen: "Wie verbreitet Upskirting ist, kann nicht erfasst werden, eben weil es keine Straftat ist." Die Zahl der Betroffenen sei auch deshalb schwierig zu klären, weil es "in der perfiden Natur der Sache liegt, sich nicht erwischen zu lassen". Durch Sensibilisierung und Sanktionen würden sich "aber weniger Männer trauen", ist sie überzeugt.

Derzeit führen die Initiatorinnen der Petition Gespräche mit Ministerien einiger deutscher Bundesländer: "Wir sind optimistisch, dass sich im kommenden Jahr etwas bewegen wird", sagt Seidel.

Betroffenen Frauen soll es dadurch anders ergehen als ihr selbst. Nach einer bedrohlichen Auseinandersetzung zeigte ihr der Mann noch auf dem Festivalgelände einen leeren Ordner auf seiner Kamera. "Ob er das Foto wirklich gelöscht hat, weiß ich bis heute nicht."

Kommentare