Trinken in Unterwäsche: Ist Päntsdrunk das neue Hygge?
"Kalsarikänni" (ˈkɑlsɑriˌkænːi) – so heißt die für unsereins unaussprechliche finnische Lebensphilosophie, die sich derzeit auch in anderen Teilen Europas durchsetzt. Englischsprachige Medien, darunter die BBC, haben den Trend bereits aufgegriffen – und ihm den Namen "Päntsdrunk" verliehen. Dabei wurde der finnische Begriff wortwörtlich übersetzt. Dieser beschreibt das Trinken von Alkohol in den eigenen vier Wänden. In Unterwäsche.
Im hohen Norden ist Kalsarikänni eine gängige Freizeitbeschäftigung. Immerhin findet sie sich sogar im Länderkunde-Guide des finnischen Außenministeriums.
Finnish Art of Drinking at Home
Jedenfalls ist Kalsarikänni, oder Päntsdrunk, der Netzgemeinde bereits ein Begriff. Dazu beigetragen hat nicht zuletzt ein neues Buch des finnischen Autors Miska Rantanen mit dem Titel "Päntsdrunk: The Finnish Art of Drinking at Home. Alone. In Your Underwear."
In dem Buch beschreibt , wie die Finnen mit den halbnackten Solo-Trinkgelagen dem kalten, dunklen skandinavischen Winter begegnen, der soziale Außenaktivität meist undenkbar macht. Stattdessen wird auf mehrlagige Outfits verzichtet und auf der Couch bei angenehmer Zimmertemperatur getrunken.
Obwohl Kalsarikänni in exzessiver Form keinesfalls empfehlenswert ist, werden die Idee und die mitschwingenden Assoziationen im Netz überaus positiv aufgenommen. Die Finnen müssen schließlich wissen, was der Seele guttut. Immerhin rangierten die Finnen im diesjährigen "World Happiness Report" ganz oben auf der Liste der glücklichsten Länder der Welt.
Kompromisslose Gemütlichkeit
Als besonders begrüßenswert empfinden die Menschen, dass Päntsdrunk im Vergleich zu Hygge weniger elitär und pseudoerwachsen daherkommt. Päntsdrunk kommt ohne Kamin, Kuscheldecke, Wollsocken und heiße Schokolade aus. Und scheint den Menschen dennoch zu befriedigen.
Auf Hygge folgte Lagom, jene Philosophie, die Selbstverwirklichung durch Minimalismus, Reduktion und bewussten Verzicht verspricht. Auch im Kontrast dazu scheint Kalsarikänni vielen Userin attraktiver zu sein. Immerhin beruht er auf kompromissloser Gemütlichkeit, die sich nicht mit Äußerlichkeiten befasst. "Es markiert das Ende der blauäugigen, übertrieben romantisierten Sicht Skandinaviens", präzisiert Robert Ferguson, Autor des Buches "Scandinavians: In Search of the Soul of the North", den Trend im Gespräch mit The Times. Kalsarikänni sei das Gegenteil skandinavischer Klischees.
Zu betonen gilt, dass Kalsarikänni keinesfalls dazu geeignet ist, grundlegende Probleme des Alltags im Alkohol zu ertränken. Auf die Gefahren, die mit der hochprozentigen Freizeitbeschäftigung einhergehen, weisen auch Twitter-User hin.
Was es sehr wohl ermöglicht, ist die To-dos zur Seite zu schieben, die Skinny Jeans abzuschütteln und nach Feierabend die Füße hochzulegen – mit einem Glas Rotwein auf der Couch.
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