Hygge-Trend: Deshalb sind die Dänen so glücklich
Früher sprach man gerne vom Savoir-vivre, weil die Franzosen es verstanden, gut zu leben. Auch das Dolce Vita der Italiener galt lange Zeit als Vorbild, wie man sich das Leben versüßen kann. Jetzt sind die Dänen an der Reihe – sie nennen die Kunst der Zufriedenheit Hygge.
Nicht umsonst vergleicht der Innsbrucker Glücksforscher Prof. Stefan Höfer diese Lebensgefühl-Trends mit Diäten: "So wie es unterschiedliche Phasen von Low Carb über vegan bis hin zu Steinzeit-Diät gibt, scheint Hygge jetzt eine neue Wohlfühl-Diät zu sein, um glücklich und zufrieden zu sein."
Das dänische Vorbild wird mittlerweile so sehr gehypt, dass es das Wort sogar auf die Shortlist der Wörter des Jahres 2016 der renommierten Oxford Dictionaries geschafft hat. Auch das Zukunftsinstitut hat Hygge als einen der großen Trends für das kommende Jahr 2017 ausgerufen. Immerhin rangiert Dänemark in weltweiten Glücksrankings schon länger unter den glücklichsten Ländern. Irgendwas müssen die Skandinavier also richtig machen.
Heiße Schokolade statt Detox
Hygge lässt sich nicht eins zu eins übersetzen – steht aber für Gemütlichkeit, Zufriedenheit. Als Gegentrend zum Individualisierungs- und Optimierungswahn der vergangenen Jahre geht es bei Hygge darum, eine entspannte Zeit mit vertrauten Menschen zu verbringen. Statt sich mit Detox-Kuren, Fitnessdogmen und Achtsamkeitsübungen zu kasteien, setzen sich die Dänen lieber mit Freunden oder der Familie vor dem Kaminfeuer zusammen und trinken heiße Schokolade oder unternehmen einen gemütlichen Ausflug. Idylle pur. Intellektuelle, politische oder philosophische Gespräche sind dabei fehl am Platz.
Was nicht heißt, dass die Politik das Gefühl der Heimeligkeit nicht für ihre Zwecke nutzt. Vor allem rechte Parteien brüsten sich immer schon gerne mit Tradition. Doch Heimatverbundenheit ist wieder so modern geworden, dass sie – wie auch der vergangene Präsidentschaftswahlkampf in Österreich gezeigt hat – mittlerweile von allen Seiten demonstrativ eingesetzt wird.
Rezept
Auch weltweite Unruhen und Krisen stärken das gesellschaftliche Bedürfnis der Menschen nach Geborgenheit. Doch der Psychologe Höfer gibt zu bedenken: "Es gibt nicht das Rezept, für das man zehn Zutaten wie Kerzen, Dankbarkeit, Kaffee und Kuchen nimmt und dann glücklich ist. Es kann sein, dass für den einen die Dankbarkeit mehr im Vordergrund steht und der andere vielleicht das Gruppengefühl stärker braucht."
Das Glück der Dänen sei auch nicht alleine auf das Hygge zurückzuführen, betont Höfer. "Hygge passiert im dänischen Kulturkreis, wo es viele Rahmenbedingungen gibt, damit das stattfinden kann. Man kann es nicht herauslösen und in einen anderen Kulturkreis exportieren." Der Glücksforscher vergleicht den Trend mit den Achtsamkeitsübungen aus dem Buddhismus, die, aus Zen-Meditationen herausgelöst, in andere Länder exportiert und vermarktet wurden. Plötzlich gab es viele Yoga-Shops mit Meditationskissen und Zen-Accessoires.
Doch was am hyggeligen Leben macht die Menschen überhaupt so glücklich? "Da sind wir wieder bei der Achtsamkeit", sagt Höfer. "Alles, was Hygge ausmacht, muss ich auch wahrnehmen können. Die Atmosphäre, Dinge oder Menschen gegenüber, denen ich dankbar sein will. Auch Genuss braucht die Fähigkeit, das wahrnehmen zu können. Insofern ist das mit der Achtsamkeit im buddhistischen Sinne zu vergleichen." Und wohl auch mit dem Savoir-vivre und dem Dolce Vita.
Integrieren
So wie bei Diäten gilt aber auch hier: Der Lebensstil muss in den Alltag integriert werden. "Bei Diäten nutzt es auch nichts, wenn ich sie ein Mal mache, schlank werde und dann wieder damit aufhöre. Es geht darum, mein Leben umzustellen und diese Diät zu einer Alltagsgewohnheit zu machen." Wem es also gelingt, hyggeliger zu leben, der könnte durchaus ein zufriedeneres Leben führen.
Allerdings kommt es auch hier auf die Rahmenbedingungen an. "Wenn alle in der Familie Burger essen, fällt es mir schwerer, mich vegetarisch zu ernähren, als wenn alle rundherum Vegetarier sind", sagt Höfer. "Wenn alle ähnliche Werte tragen und zum Beispiel dankbar sind, fällt es leichter, hyggelig zu leben."
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