Stehvermögen: Im Rollstuhl bis ans Ende der Welt
Sein Höhepunkt im Jahr 2018? Da muss Max Pölzl nicht lange nachdenken. „Das war, als ich das Exoskelett das erste Mal ausprobieren konnte“, erzählt der 25-Jährige im Wohnzimmer seiner hellen, nagelneuen Wohnung im vierten Wiener Bezirk. Die am Körper getragene Stützstruktur ermöglicht Querschnittgelähmten, ein paar Schritte gehen zu können. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man nach so langer Zeit wieder aufrecht stehen kann.“
Lange Zeit – in Pölzls Fall sechs Jahre. Drei Monate vor seiner Matura fiel der sportliche Schüler während des Winterurlaubs von einem Dach, brach sich den fünften Halswirbel, dieser durchbohrte den Wirbelkanal. „Ich habe viel Wintersport gemacht und hatte oft brenzlige Situationen, wo ich froh war, dass es gut ausgegangen ist. Dieses Mal eben nicht. Es war eine dumme Aktion.“
Drei Tage nach dem Unfall setzt Pölzls Erinnerung wieder ein. Die Ärzte in der Uni Klinik Innsbruck machten kein Geheimnis aus seiner Diagnose: Querschnittlähmung. „Ich fand es wichtig, dass sie mir von Anfang an die Wahrheit gesagt haben. Man muss es annehmen. Ich hatte auch gar keine Zeit, um in ein Loch zu fallen“, erzählt der Student. Noch im Krankenbett fasste er einen Entschluss: Sein Leben solle trotz Rollstuhl weitergehen wie bisher. „Ich wusste, ich will in meine alte Schule zurück, die Matura machen, Freunde treffen und reisen. Darauf habe ich hingearbeitet.“
Nichts ist unmöglich
Der Wiener erzählt seine Geschichte mit beeindruckender Besonnenheit. Erzählt, wie er ein Jahr nach dem Unfall maturierte und sein Jus-Studium begann. Erzählt, wie er mit seinem Onkel nach Argentinien und Südkorea reiste („Man muss nur die richtigen Hotels auswählen“). Erzählt, wie sich die Beziehung zu Freunden intensiviert hat („Wenn im vierten Stock eine Party ist, helfen zwei zusammen und zah’n mich rauf“).
Am Juridicum unterstützt ihn eine Behinderten-Beauftragte: „Sie sucht mir barrierefreie Vorlesungen heraus.“ Im Alltag hilft ein persönlicher Assistent, den die Stadt Wien zur Verfügung stellt. Apropos Wien: Wenn schon Rollstuhl, dann sei man hier gut dran. „In Berlin oder Mailand hast du nicht bei jeder U-Bahn-Station einen Lift. Der öffentliche Raum bei uns ist sehr gut ausgebaut.“
Mit dem Wort „Behinderung“ hat der angehende Jurist kein Problem. „Ich identifiziere mich nicht damit. Wenn ich mir unbedingt ein Label draufpicken müsste, würde ich sagen, ich bin Rollstuhlfahrer.“ Die Diskussion gehe ohnehin am Kern vorbei. „Das ist keine konkrete Unterstützung. Wichtig wäre, dass wir aufmerksam durchs Leben gehen. Man sieht eh sofort, wenn wo eine Stufe ist und wir Hilfe brauchen.“
Während Pölzl ein Vanillekipferl verdrückt und von seiner Teilnahme am Charity-Lauf „Wings for Life Run“ erzählt, leuchten seine Augen noch einmal auf. „Es macht so Spaß, einmal ohne Hindernisse durch die Stadt zu fetzen.“
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