Roadtrip von Hamburg bis Stuttgart: Highlights der Industrieroute

UNESCO-Erbe „Zeche Zollverein“ in Essen
Eine Reise entlang der Industrieroute bietet Abenteuer, Geschichte, architektonische Handwerkskunst, futuristische Fotomotive – und überraschend viel Natur

Es sieht aus wie auf dem Mars, wenn man auf der Schurenbachhalde in Essen steht. Dreht man sich einmal im Kreis, sieht man die vielen Industrieschornsteine, die das Epizentrum der deutschen Industriekultur markieren. Brach oder gar trostlos ist das nicht. Zwischen den heute kaum noch rauchenden Türmen überwiegt sattes Grün – es macht das Ruhrgebiet zu der wohl am meisten unterschätzten Natur-Kulisse Deutschlands. Denn die Natur hat sich in diesem ehemaligen industriellen Epizentrum Deutschlands zwischen der brutalen Industriearchitektur wieder ihren Platz zurückerobert.

Das Ruhrgebiet ist die große Hauptattraktion auf der Route der Industriekultur, die von Hamburg nach Stuttgart führt. Wer glaubt, dass sich dahinter nur ein staubiger Themenweg mit alten Fabriken verbirgt, irrt. Bereisen lässt sich der Themenweg Stück für Stück mit dem Zug oder mit dem Auto. Letzteres bietet auch die Gelegenheit, Urlaub mit dem Elektroauto zu machen, denn Stromzapfsäulen gibt es unterwegs genug.

Alles beginnt am Hafen

Diese Reise startet man passenderweise am besten im Norden. Dort, wo auch aus wertschöpferischer Sicht alles beginnt, um beim Thema zu bleiben: am Hamburger Hafen. Eine Hafenrundfahrt ist der beste Weg, in den Industriecharme des riesigen Gebietes an der Elbe einzutauchen. Näher kommt man den Containern, die am drittgrößten Hafen Europas umgeschlagen werden, kaum. Am besten macht man die Rundfahrt mit einer Barkasse, einem der kleineren Boote, die bei den Landungsbrücken im touristischen Zentrum der Stadt täglich abfahren.

Erst schlängelt sich das Boot durch die Speicherstadt, wo früher verschiedenen Rohstoffe und Gewürze gelagert wurden, heute liegen dort hauptsächlich Teppiche. Ein Tourguide erzählt wirklich alles, das man über den Hafen und die Handelsstadt wissen muss, und er tut das natürlich mit einer ordentlichen Portion Hamburger „Schnack“, wie man den ortsüblichen Einheimischen-Schmäh nennt.

Container Umschlagplatz am Hamburger Hafen

 Der Container Umschlagplatz am Hamburger Hafen ist schon wegen seiner Größe faszinierend

Ein Stück weiter südlich ist Hannover die nächste große Stadt und auch der nächste Halt auf der Industrieroute. Dort fährt man am besten ins Umland. Zum Beispiel nach Goslar. Von dort aus bringt einen das Welterbe Shuttle zu zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Die wohl bekannteste Station ist das Bergwerk Rammelsberg, bei dem man mit einer Stollenbegehung und einer Grubenfahrt tief in die Geschichte des Bergbaus eintauchen kann.

Chilehaus in Hamburg

Chilehaus, Hamburg: typischer Backsteinexpressionismus

Hochofen erklimmen

Architektur-Fans fahren auch nach Alfeld an der Leine. In diesem unscheinbaren Ort steht das Fagus-Werk, ein architektonisches Bauhaus-Highlight, das von Walter Gropius entworfen wurde, lange bevor er das Bauhaus gründete. Der Architekturstil zieht sich wie kein anderer durch die Route und spiegelt den industriellen Aufschwung wider.

Zum Beispiel auch in der Essener Innenstadt. Wer aufmerksam ist, sieht sich umgeben vom Bauhaus-Stil. Das bedeutendste Industriedenkmal: Zeche Zollverein. Wo einst Menschenhände Stahl bei sehr großer Hitze gegossen haben, ist heute ein in Natur getränktes futuristisches Freizeitgelände mit abwechslungsreichen Veranstaltungen. Fotografen machen dort am besten einen Fotorundgang oder gehen selbstständig auf Motiv-Jagd. Keine Science-Fiction Filmkulisse bietet futuristischere Motive als die ehemalige Stahlproduktion.

Naherholungsgebiet Zollverein-Park, Industriedenkmal Stahlwerk Zeche Zollverein

Viele der Industriedenkmäler sind heute auch Naherholungsgebiet (hier im Zollverein-Park)

Wer es lieber sportlich haben will, kommt dort auch auf seine Kosten: Von Radtouren über Kletterwände auf umfunktionierten Werkswänden bis hin zu Wander- und Klettersteigen, die einen vergessen lassen, dass dort einst rauchige Stahlproduktion dominierte. Wer weiter hinauf will, erklimmt über Hunderte Treppen einen Hochofen. Dafür sollte man aber schwindelfrei sein, der Weg führt nämlich über eine offene Treppe.

UNESCO-Erbe „Zeche Zollverein“ in Essen

Im UNESCO-Erbe „Zeche Zollverein“ in Essen gibt es Veranstaltungen, Wiesen und Fotomotive

Arbeitersiedlung

Wer nicht genug von der Stahlgeschichte des Ruhrgebiets bekommt, fährt am besten in die Villa Hügel, die vom Stahl-Vater Alfred Krupp gestaltet wurde. Eine wuchtige Villa, die ästhetisch nicht jedermanns Sache ist. Die Bibliothek und der Ballsaal spiegeln den Lebensstil des Industriellen wider. Weitaus wohnlicher und auch heute noch vorbildhaft ist die Wohnsiedlung Margarethenhöhe. Sie befindet sich im südlichen Stadtteil Essens und wurde Anfang 1900 von Margarethe Krupp für die Arbeiter von Krupp errichtet.

Der Endpunkt der Erlebnisroute ist in der Stadt Stuttgart. Das dort ansässige Porsche Museum holt einen direkt in die Gegenwart der deutschen Industrie. Ein Tipp abseits der klassischen Attraktionen: die Weissenhofsiedlung.

Anreise 
Wer die gesamte Route abfahren will, kommt zu den Startpunkten Hamburg und Stuttgart aus Österreich sehr gut mit der Bahn (oebb.at). Für Teilabschnitte sind auch die großen Städte entlang der Route gut erreichbar. Unterwegs ist man dann jeweils mit dem öffentlichen Nahverkehr oder dem Auto

ExtraSchicht
Einmal im Jahr findet im Ruhrgebiet an außergewöhnlichen Industrie-Kulissen wie der Zeche Zollverein das Kulturfestival ExtraSchicht mit Live-Musik, DJs und Lichtinstallationen statt – im kommenden Jahr rund um den 28. Juni. Mehr Informationen unter: extraschicht.de

25 Jahre 
feiert die Route der Industriekultur 2024 mit vielen Ausstellungen, Filmvorführungen, Jubiläumstouren und kostenlosen Führungen

Auskunft
route-industriekultur.ruhr

Platz bei Le Corbusier

Dort geht man am besten ins Haus Le Corbusier, schaut sich die Bauhaus-Wohnvorstellung des berühmten schweizerisch-französischen Architekten an und lässt sich von der funktionalen Genügsamkeit verzaubern. Freiwillige erzählen dort manchmal die Geschichte des Hauses.

Und so kann es passieren, dass man beginnt, ein Gespräch über den Einfluss der Architektur und die Wirtschaft zu führen und im von Le Corbusier entworfenen Wohnraum Platz nimmt. So wie er es sich vorgestellt hätte.

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