Karlsbad: Warum die Kur mit Kitsch noch besser wirkt

Prunk und Pracht hat der böhmische Traditionskurort Karlsbad zu bieten.
Prunk, Pracht und prominente Gäste hat der böhmische Traditionskurort mehr als genug – und tiefentspannt mit dem Trinkbecher in der Hand kann man das alles noch viel mehr genießen.

Dunkles Holz, heller Marmor, blaues Licht: Wer in das Hotel Prezident eincheckt, lässt schon am Empfang den Karlsbader Kitsch fürs Erste hinter sich. Draußen auf den Promenaden Gold, Stuck und alter Glanz, hier drinnen kühle Moderne. Draußen erzählt der Traditionskurort mit jeder prachtvollen Fassade seine Geschichte von Goethe bis zu den Zaren, die hier das Wunderwasser gegen alle ihre Leiden schlürften. Drinnen fühlt sich das alles viel mehr nach modernem Wellness an, nach Lavendelöl-Massage, Wasserstoff-Inhalation und Schweben im Dunkel des Salzwasser-Pools.

Von Goethe bis Gorbatschow

Wer einst nach Karlsbad kam, wollte kuren. Ob Goethe, der englische König oder Michail Gorbatschow: Die Gäste kamen wegen der heilkräftigen Quellen, natürlich wegen des Gesellschaftslebens inklusive Pferderennen und diskreten Liebschaften.

Historismus und Kitsch im Überfluss: Eine Villa am Rand von Karlsbad.

Historismus und Kitsch im Überfluss: Eine Villa am Rand von Karlsbad.

Wer heute nach Karlsbad kommt, will vor allem staunen. Wer durch den Kurort in Nordböhmen spaziert – und das tun täglich Tausende Touristen aus Kalifornien bis China –, taucht in eine historische Inszenierung ein. Ob auf den Promenaden, in den Trinkhallen oder in den Ballsälen der Grand Hotels, hier hält das, was wir Wiener gerne die gute alte Zeit nennen, glanzvoll Hof.

Über den Hotelportalen thront der K&K-Doppeladler, in den Konditoreien verweist man auf fürstliche Empfehlungsschreiben für die besondere Qualität der hauseigenen Mehlspeisen.

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Wer mit seinem Porzellan-Trinkbecher – quasi Grundausstattung für den Teilzeit-Karlsbader – zur Quelle seiner Wahl schlendert, tut das unter Kolonnaden, die auch heute noch so aussehen, als wären die Hofdamen aus Wien oder Prag gerade noch vorbeipromeniert.

Kurort Karlsbad in Böhmen: Die Kolonnaden mit ihren Quellen.

Die Kolonnaden mit ihren Quellen.

Es gibt hier also mehr als genug Pracht und Prunk für zwei, drei Tage Sightseeing. Das liegt auch daran, dass Karlsbad nicht nur eine Bühne für das Gesellschaftsleben der Doppelmonarchie war, sondern noch viel mehr für den russischen Zarenhof und dessen adeligen Anhang. Weil die chronisch kränklichen Zaren hier gerne ihr Heilwasser schlürften, musste das so ziemlich jeder russische Lebemann auch tun. Diese Tradition setzten sogar die Sowjetherrscher fort, die dann auch ihre Arbeiterklasse oft in riesigen Gruppen zur Kur nach Karlsbad schickten.

Oben in den Hügeln der Kurstadt findet der Spaziergänger also das russische Karlsbad samt den goldenen Turmspitzen der orthodoxen Kirchen.

Wer noch weiter hinaufspaziert in die Wälder rund um die Stadt, findet dort Aussichtstürme, Pavillons und herrlich altmodische Gasthäuser, in denen Schweinsbraten und Palatschinken so gut schmecken wie sonst nur im Wienerwald.

Karlsbad: Warum die Kur mit Kitsch noch besser wirkt

Bademantel

Im üblichen Touristentempo kann man all das nicht wirklich genießen. Beim Kuren in Karlsbad ging es einst nicht nur ums Heilwasser, sondern auch um den erholsamen Schlendrian, also um Zeit. Wer sich in einem Kurort ein bisschen Kurgefühl gönnen will, packt nicht nur den Reiseführer, sondern auch den Bademantel ein.

Kitschige Karlsbader Trinkbecher

Kitschige Karlsbader Trinkbecher

  • Anreise: Die Anreise per Bahn nach Karlsbad ist langwierig – zumindest 7:34 Stunden mit Umstieg in Prag. oebb.at. Mit dem Auto ist man  – ohne Stau – um zwei Stunden schneller
  • Ausflug: In den Wäldern rund um Karlsbad gibt es nicht nur abwechslungsreiche Wanderungen, sondern auch altmodische Gasthäuser, etwa das Restaurant Diana gleich neben dem Aussichtsturm, dianakv.cz/de
  • Unterkunft: Das Hotel Prezident,  abseits der Kurpromenade und der Touristenkarawanen, ist ein stylishes Boutique-Hotel, das alles bietet, was man sich von einem Wellness-Urlaub erwartet. Auch  viele spezielle Kurangebote, etwa bei Übergewicht. Die ärztliche Leiterin, die  Staatschefs und Stars behandelt, stellt individuelle Programme zusammen. Zwei Tage mit Verwöhnprogramm gibt es ab 200 Euro unter hotelprezident.cz/de
  • Auskunft: karlovyvary.cz/de

Wenn man dann frühmorgens mit leerem Magen, Trinkbecher und schlechtem Gewissen (der Schweinsbraten!) schlürfend durch die Kolonnaden spaziert und den Nachmittag mit Dampfbad und Massage verbringt, kommt man dem Karlsbader Lebensgefühl ein gutes Stück näher.

An den englischen König oder Johann Wolfgang von Goethe kommt man als zeitgenössischer Kurgast wohl trotzdem nicht heran. Die hohen Herrschaften blieben mindestens vier Wochen hier.

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