Leben auf Sylt: Von zwei- und vierbeinigen Schafen

Strandkörbe stehen am Strand unterhalb einer Küstenklippe.
Sylt ist mehr als Schampus und Strandkorb. Warum es im Reiseplan von Zugvögeln der einzige Fixpunkt ist und wann man seinen Partner auf Wattwanderung schickt.

Zu viel Wind, zu viel Sand und in jeder Welle ein nackter Arsch“, soll Schauspielerin Romy Schneider über Sylt gesagt haben. Und tatsächlich taucht trotz Pullover-Temperaturen plötzlich eine dampfende Gestalt in der Düne auf. Rennt an Strandkörben vorbei, taucht im Wasser unter, jauchzend wieder auf. Kein Wahnsinniger, ein Strandsauna-Besucher.

Sylt ist nichts für Warmduscher, nie gewesen. Selbst wenn reetgedeckte Kapitänshäuser etwas Wohlig-Warmes ausstrahlen. Das Klima ist rau, der Humor staubtrocken. „Das Watt bietet Ihnen eine hervorragende Gelegenheit, Ihren Partner loszuwerden“, flötet Touristenführerin Silke von Bremen. Alle sechs Stunden und zwölf Minuten wechseln Ebbe und Flut. Ein Naturschauspiel, das bedrohlich wird, wenn das Wasser schneller kommt als man selbst mit seinen Gummistiefeln durchs Watt rennen kann.

Schutz vor zweibeinigen Schafen

Die meisten kommen ohnehin zum Schaulaufen auf die „Insel der Reichen und Schönen“. Nach Westerland, aber auch nach Kampen, wo die Häuserpreise bei zwanzig Millionen Euro beginnen. Nirgends in Deutschland kann man so viel für Immobilien ausgeben wie hier. Dafür bekommt man aber auch den traditionellen Friesenwall rund ums Haus – also einen Steinwall als Zaun.

„Früher hatte man den Wall als Schutz vor den vierbeinigen Schafen, jetzt vor den zweibeinigen“, sagt von Bremen. Mit letzteren meint sie ihr Klientel. „Einmal saßen mein Mann und ich an unserem Küchentisch, als es plötzlich dunkel wurde. Wir dachten da zieht ein Gewitter auf“, erzählt sie aus dem Leben im Kapitänshaus. „War aber nur eine Gruppe Touristen, die sich die Nase an unserem Küchenfenster platt drückten.“ Der typische Sylturlauber schaut sich eben gern um, auch, wenn er es nicht unbedingt zugibt.

Ein Strand mit vielen Strandkörben im goldenen Abendlicht.

Wer einen Vorwand für eine Sylt-Reise sucht, kann sich als Pollenallergiker ausgeben, der dringend Erholung braucht. Auf der Insel gibt es nämlich so gut wie keine Pollen. Lange fehlten Bäume in der Szenerie, sie wurden erst mit dem beginnenden Tourismus gepflanzt. „Die kargen Böden mussten mit getrockneter Schafscheiße gedüngt werden, die man bis dahin zum Heizen der Häuser benutzt hatte“, sagt von Bremen. Holz gab es ja keines. Woher auch, es gab ja keine Bäume. Nur Weite soweit das Auge reicht. „Morgens konnte man schon sehen, wer abends zum Essen kommt.“

Nicht nur nackte Hintern

Sylt zieht nicht nur Menschen an. Es gibt Zugvögel, die auf ihrer Reise von Afrika nach Sibirien eine einzige Pause machen – auf Sylt. Auf ihrem langen Flug verlieren sie bis zur Hälfte ihres Körpergewichts, im Watt schlagen sie sich wieder den Magen voll und finden Erholung. Dank der Nationalparks und unberührter Dünenlandschaft. Besucher werden nicht umsonst aufgefordert, auf den Wegen durch die Dünen zu bleiben. Der Strandhafer, der diese mit seinen kilometerlangen Wurzeln am Boden verankert, ist empfindlich. Von Menschen niedergetrampelt zu werden, hält er nicht aus.

Am besten erschließt sich die Insel mit dem E-Bike. Vorbei an endlosen Dünen, Naturschutzgebieten, frei laufenden Schafen und schaulaufenden Urlaubern. Spätestens wenn der Akku schwach und der Gegenwind stark ist, kommt man ins Schwitzen. Zur Entspannung ab in die Strandsauna und danach in die Nordsee – man ist ja kein Warmduscher. Übrigens: Es schwimmt nicht in jeder Welle ein nackter Hintern. „Romy Schneider hat nur direkt über dem FKK-Strand gewohnt“, weiß von Bremen.

Eine Karte von Sylt und den umliegenden Inseln Föhr und Amrum.

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