Kitzbühel: Wo Promi-Glitzer auf urige Wirtshäuser trifft
Kitzbühel ist glitzernd, aber auch bodenständig. Neben High Society und Luxus gibt es hier bodenständige Gasthäuser und ruhige Ecken.
Die Aura hat es Pepi Treichl angetan. „Es gibt viele schöne Skigebiete auf der Welt“, sagt er und blickt auf die alten Häuser in der Kitzbüheler Innenstadt. „Alles Dörfer in den Bergen und wunderbar zum Skifahren.“
Er macht eine dramatische Pause: „Aber da fehlt etwas. Die Aura ist weg, weil die Hotels höher sind als die Kirche.“ Pepi Treichl ist ein Original in Kitzbühel. Er ist seit seiner Jugend Skilehrer und führt Besucher durch die Stadt.
In Kitzbühel liegt das Touristische im Blut
Ja, Kitzbühel ist ein besonderer Ort. Nicht nur wegen einer besonders hohen Promi-Dichte in der Wintersaison, wegen der Luxusgeschäfte, wegen des Hahnenkamm-Rennens, sondern auch wegen seiner Historie und seiner alten Substanz. Schon in der Bronzezeit wurde hier gesiedelt und nach Kupfererz geschürft. Im Jahr 1271 bekam Kitzbühel das Stadtrecht. Der Pass Thurn lag auf der wichtigen Handelsroute nach Venedig.
„Als vor 500 Jahren Fremde gekommen sind, haben wir uns nicht hinterm Baum versteckt.“ Vielmehr hat es geheißen: „Herzlich willkommen in Kitzbühel. Du hast Geld eingesteckt, du bekommst ein gutes Zimmer und ein gutes Essen.“ Und das ziehe sich seither durch. „Wir haben das Touristische im Blut und geben es weiter.“
Ein altes Zentrum mit viel Geschichte: Wie viele Skiorte können das von sich behaupten?
©kitzbühel tourismus/Rudi WyhlidalAlles begann mit Franz Reisch, der Ende des 19. Jahrhunderts das Skifahren aus Norwegen in die Tiroler Berge brachte und den Ski Club gründete. Kurz darauf eröffnete das Grand Hotel. Es kamen die Reichen, manche sogar von der anderen Seite des großen Teichs. Seitdem hat sich Kitzbühel als nobles Urlaubsrefugium etabliert – und zeigt das gerne.
Hermès-Taschen statt Krapfen
Wo in der Vorderstadt eine Konditorei süße Stücke verkaufte, sind seit Kurzem exklusive Hermès-Taschen erhältlich. Und auch sonst gibt es im Zentrum viel für die betuchte Kundschaft.
Blick auf das Kitzbüheler Horn, von dem es eine tolle Aussicht gibt. Das Gebäude rechts hat Alfons Walde geplant.
©kitzbühel tourismus/Simon WellerGleichzeitig gibt es mit dem Huberbräu-Stüberl das Gegenprogramm. Es ist ein Ort für bodenständige Küche und für Einheimische. „Die Frittatensuppe ist billiger als bei euch daheim“, erklärt Reisch bei seinen Führungen gerne.
Reservierungen werden nicht angenommen, dafür nur Bargeld. Und dann sagt Pepi Treichl etwas, das man hier sehr oft hört: „Kitzbühel ist nicht nur Reich und Schön und Yellow Press. Kitzbühel lebt auch von den Echten.“
Der Schwarze Adler fliegt wieder
Ein Ort, wo Einheimische auf gut situierte Gäste treffen, ist der Schwarze Adler in Jochberg mit Holzvertäfelung und Herrgottswinkel. Das Traditionshaus aus dem 15. Jahrhundert hat gerade neu aufgesperrt. Andreas Hofer soll hier eine eigene Stube gehabt haben. Kaiser Franz Joseph bekam für den Besuch extra ein hölzernes Zimmer eingerichtet.
Der „Schwarze Adler“ in Jochberg ist ein Traditionsgasthaus und hat gerade neu wiedereröffnet.
©KLARA ULMERHeute wartet hier der Geschäftsführer Hannes Hönegger. Der Mann mit bewegter Geschichte war Skilehrer, lernte dabei einen deutschen Politiker kennen. Der wurde sein Mentor, nahm ihn mit nach Brüssel. Dort wurde Hönegger Generalsekretär für Tourismus in der Europäischen Wirtschaftskammer. Dann geriet er auf die schiefe Bahn, wurde „Generalsekretär“ bei schweren Jungs in Berlin.
Es folgte eine mehrjährige staatlich verordnete Nachdenkpause. Hönegger machte eine Fleischhauerlehre und wurde Biobauer. Heute beliefert er – von Juan Amador abwärts – die Spitzengastronomie mit Fleisch.
Der Schwarze Adler, sagt er, war ein „Kollateralschaden“. Denn: „Wir brauchten einen Schauraum, wo man unseren Zwiebelrostbraten genießt.“ Mit der Eröffnung Ende Oktober sei das Wirtshaus jeden Abend ausgebucht und das Publikum „hoch dotiert“. Trotzdem gehe es dem Team um etwas anderes: „Wir wollen das Wirtshaus zurückholen.“
So kann es passieren, dass bei voller Stube ein Tisch für Einheimische freigemacht wird, die einfach nur ein Bier trinken wollen. Mittags kommt auf den Tisch, was gerade da ist. „Wenn ein Bio-Lamm geschlachtet wird, machen wir ein Beuschel draus.“ Die Kosten: 15 Euro. So günstig bekommt man das selten.
„Ich glaube, unser Zwiebelrostbraten hat Sterne-Niveau.“
In der Küche steht der Kärntner Mario Naschenweng. Er ist weder verwandt noch verschwägert mit dem Schlager-Star Melissa Naschenweng, Ruhm soll aber folgen. „In Bangkok gibt es Michelin-Sterne für Streetfood. Warum soll es das nicht auch für die österreichische Wirtshausküche geben?“, sagt Hönegger. Er habe das Haus daher zur Bewertung angemeldet. „Ich glaube, unser Zwiebelrostbraten hat Sterne-Niveau.“
Darum mag die Rosi den Begriff Promi-Wirtin nicht
Einen Platz am Kitzbüheler Himmel hat die allseits bekannte Rosi’s Sonnbergstuben von Fridel und Rosi Schipflinger. Den Begriff Promi-Wirtin mag Rosi Schipflinger nicht. „Als Medien mich so nannten, kamen die Einheimischen nicht mehr.“
Ihr erster prominenter Gast war Johannes von Thurn und Taxis mit seiner Frau Gloria und den Kindern. „Er war jeden Tag heroben und sagte, ich habe den schönsten Platz der Welt.“ Zuerst wollte sie es nicht so recht glauben, doch dann erkannte auch sie: „Der Platz hier ist besonders. Ob es nun von oben oder von unten kommt. Es hat hier viel Energie“, sagt sie und deutet Richtung Himmel und Boden.
Dann wurde ihre Stube zum Geheimtipp. „Einige wollten nicht mit dem Lift kommen, sondern nahmen den Hubschrauber.“ Abends sang sie gerne, der Schlager-Produzent Jack White wurde auf sie aufmerksam. Er schrieb für sie „Kitzbühel, mein Augenstern“.
Und dann kam Fridel in die Sonnbergstuben
Weitere Sternstunden sollten folgen: „Der richtige Durchbruch kam mit dem Essen, seitdem mein Sohn wieder daheim ist.“ Er war rund um den Globus unterwegs, heute kocht er hier oben: „Von Tiroler Knödeln, Kässpätzle bis zum Sushi“, wie er sagt.
Fridel und Rosi Schipfinger vor ihrer „Ahnengalerie“ mit den Promis, die schon Gast in „Rosis’s Sonnbergstuben“ waren.
©Rosi's SonnbergstubenWeitum bekannt ist die Sonnbergstuben für ihren Kaiserschmarrn. Das Geheimnis? „Frisch ist er“, sagt Fridel und grinst. Pro Tag gehen jenseits der 200 raus. Außer wenn Andreas Gabalier sein Musikfestival hat, da gibt es 1.400 Portionen. Gratis.
Die 82-Jährige stimmt auch heute noch regelmäßig Ständchen im Lokal an – für Geburtstagskinder, wenn sie gefragt wird. Für ihren Sohn ist das kein Thema: „Ich koche lieber.“
Der Papst bei der Rosi in Kitzbühel?
Wen sie gerne hier hätte? „Den Papst. Ich war schon bei einer Audienz. Und der Bürgermeister war auch zuletzt bei einer Audienz. Er hat ihn eingeladen. Schau ma mal.“
Die Zahl der SUVs und Sportwagen, die hier herauffahren, ist hoch. So wie man sich das gerne in Kitzbühel vorstellt.
Wie das Gegenprogramm aussieht
Die Brüder Max und Sebastian Witzmann wollten sich von dem etwas abheben und es anders machen. Sie haben vor zwölf Jahren das Hotel Seebichl, ein klassisch-alpines Haus, übernommen und weiterentwickelt. Möbelstücke des Kitzbüheler Künstlers und Architekten Alfons Walde, die der Großvater im Erneuerungsdrang einst in die Personalzimmer verbannt hatte, holten sie wieder hervor und 1.000 Vintage-Designstücke kamen ins Hotel.
Es gab Sterne-Restaurants, traditionelle Gasthäuser, viel Champagner und Kaviar. Aber es gab keinen Ort ohne Hemmschwelle, wo jeder hineingehen kann.
Dazu machten sie vor rund fünf Jahren mit Sebastians Freundin, die die Seidlalm an der Streif mitbetreibt, und deren Bruder ein Lokal in der Innenstadt auf. Die Frage davor: Was fehlt Kitzbühel eigentlich? „Es gab Sterne-Restaurants, traditionelle Gasthäuser, viel Champagner und Kaviar. Aber es gab keinen Ort ohne Hemmschwelle, wo jeder hineingehen kann. Egal, ob Arbeiter um 17 Uhr in der Arbeitskleidung oder Partykids um 20 Uhr vor dem Besuch des Londoners“, sagt Sebastian Witzmann. Die Antwort war das Hutschpferd Palais.
Das Lokal „Hutschpferd Palais“ setzt auf Augenzwinkern und Schnitzel.
©Hutschpferd Palais„Unser Lokal sollte für das breite Publikum sein, mit Augenzwinkern und sehr österreichisch.“ Auf der Karte steht viel Gebackenes, vor allem Schnitzel, aber auch Tafelspitz oder Rindsroulade. Und anders als viele andere setzt man hier nicht auf Kaiserschmarren, sondern auf Salzburger Nockerln. Und die sind nicht so schlotzig wie die Originalen, sondern eher durch. „Wir haben die massentaugliche Variante“, sagt Witzmann.
Was für ihn Kitzbühel so besonders macht? „Wenn du hier aufwächst, hast du irgendwann eine Garage voller gefährlicher Dinge.“ Vom Tourengehen über Mountainbiken bis zum Paragleiten findet er Sportmöglichkeiten ohne Ende. „Das ist der Luxus, hier zu wohnen.
Kitzbühel ist ein touristischer Hotspot, aber entfernst du dich nur ein bisschen, findest du ruhige Berge.“ Und überhaupt: Wenn die Hochsaison vorbei ist, sei Kitzbühel fast wie jede andere Bergstadt auch. „Da kannst du um 22 Uhr in der Innenstadt nackt fangen spielen.“
Kitzbüheler Advent und Skifahrer
Doch jetzt kommen die Besucher – nicht nur zum Skifahren. Bis 29. Dezember läuft auch der Kitzbüheler Advent in der Hinterstadt und im Stadtpark, ein 35 Meter hohes Riesenrad inklusive. Dazu sind Winterwanderungen am Kitzbüheler Horn oder Hahnenkamm zu empfehlen. Kitzbühel Tourismus bietet geführte Touren.
Bis zum 29. Dezember läuft der Kitzbüheler Advent in der Hinterstadt und im Stadtpark. Heuer kommt ein Riesenrad dazu.
©kitzbühel tourismusJa, die Berge Tirols. Nach Jahren im Ausland zog es auch Monika Hechenberger wieder in die Heimat. Sie ist heute stellvertretende Direktorin und Kommunikationsverantwortliche des Luxushotels Grand Tirolia. „Ich liebe die Berge, die haben mir gefehlt.“
Für die gebürtige Kirchbergerin ist Kitzbühel ein besonderer Ort. „Hier gibt es Luxus, Genuss, aber auch Naturverbundenheit. Man kann Yoga machen, sich kulinarisch verwöhnen lassen, Golf spielen. Dann steht man am Gipfel, ist dem Herrgott ein Stück näher, atmet durch. Das ist wie ein Mini-Urlaub für den Kopf.“ Für eine Einkehr empfiehlt sie – wie viele – den Berggasthof Hagstein mit seiner regionalen, gutbürgerlichen Küche.
Wo man heuer beim Hotel Grand Tirolia eislaufen kann
Und von bodenständig zu luxuriös ist es in Kitzbühel nie weit. Kürzlich wurde im Grand Tirolia der Hotelkomplex erweitert: um neue Zimmer, ein familienfreundliches Spa und eine Freizeitzone mit eigenem Kino. Dazu kommt ein Naturteich, auf dem man in diesem Winter erstmals eislaufen kann – sofern das Wetter mitspielt.
Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass…
- … Kitzbühel die einzige Curlinghalle Österreichs besitzt? Der Sport wird hier seit gut 120 Jahre gespielt.
- … in den 1930er-Jahren ein zweites kleines Kitzbühel am Hahnenkamm geplant gewesen wäre?
- ... in Jochberg ein Einfamilienhaus im Vorjahr um 34,68 Millionen Euro verkauft wurde?
Für jüngere Besucher mit kleinerem Budget gibt es in Kitzbühel das Henri Country House. Es ist ein Boutique-Hotel mit betont lässiger Atmosphäre. Die Zimmer reichen stilistisch von der Belle époque bis zum Mid-Century-Design, im Spiegelsaal stehen Stühle mit Korbgeflecht, im Roten Salon Lehnsessel. Dazu gibt es eine späte Nachmittagsjause. Alles sehr unkompliziert und gleich neben dem Bahnhof – perfekt für die Anreise mit dem Zug.
Hallodris auf der Piste
Und die Innenstadt ist auch nicht weit entfernt. Dort wartet Pepi Treichl mit seinen Anekdoten. Etwa über die Skilehrer, die das Stadtwappen mit der Gams tragen wollten. „Die Gemeinde sagte nein, weil Skilehrer waren Hallodris und die ganze Nacht mit den Weibern unterwegs.“ Also sprang der Künstler Alfons Walde ein und entwarf die bis heute bekannte Gams für die „Skilehrer-Buam“.
Kitzbühel ohne Walde wäre nur schwer vorstellbar. Mit seinen Bildern von verschneiten Hängen oder Skifahrern aus kräftigen Linien. Dazu würde Kitzbühel ohne ihn anders aussehen: Die Stationen der Hahnenkammbahn stammen aus seiner Feder. Und dass die Häuser in der Innenstadt alle farbig sind, geht ebenfalls auf ihn zurück. Vorher waren die eher grau-braun.
Pepi Treichl kramt in seiner Tasche, holt ein kleines Gämslein heraus und steckt es an den Kragen: „Wenn man von Kitzbühel träumt, trägt man es am Pyjama.“
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