Europas Amazonas: Ein Radweg, fünf Länder und ein riesiger Biosphärenpark
Der Amazonas ist ein mächtiger Strom in Südamerika – und eine Metapher für gigantische Natur. Daher muss er jetzt auch einem neuen Biosphären-Park und einem zweigeteilten Biketrail in Europa seinen Namen borgen. Das scheint nur auf den ersten Blick abstrus: Steigt man auf den Murturm, eine Aussichtswarte im steirischen Grenzgebiet zwischen Österreich und Slowenien, ist dichter Auwald zu sehen, so weit das Auge reicht. Grüne Wipfel erstrecken sich bis zur Mur, die träge in ihrem ungebändigten Bett fließt, die Ufer sind dicht mit Gestrüpp verwachsen. Ja, Amazonas passt.
Schon die ersten Kilometer ab Mureck geben einen Vorgeschmack, was bei den insgesamt siebenundzwanzig Etappen des Biketrails Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Serbien zu erwarten ist: Wegweiser leiten durch den weitgehend naturbelassenen Auwald, der dem Lauf der Mur folgt. Radler rollen zwischen mächtigen Buchen und Eichen auf ebenen Wegen dahin.
Überragt werden die Baumriesen nur vom Murturm, von dessen Plattform man weit nach Slowenien blickt. Die Mur ist hier Grenzfluss, Bad Radkersburg Grenzstadt. Die Friedensbrücke im Ort verbindet Österreich mit Slowenien und trennt den Biketrail in Nord- und Südroute. Am slowenischen Ufer der Mur liegt Schloss Oberradkersburg, auf das der Stadtname verweist. Am Fuße des Burghügels wurde vor zweihundert Jahren der größte Keller Sloweniens tief in den Felsen gehauen. Heute beherbergt er die Sektkellerei Radgonske Gorice, deren Produkte in völliger Dunkelheit hergestellt und verkostet werden.
Natur aus nächster Nähe
Entlang schmaler, mäandernder Nebenflüsse, wo an seichten Uferstellen Schwäne ihre Nester gebaut haben, vorbei an Fisch- und Badeteichen, führt der Radweg zum nächsten Aussichtspunkt. Vom Vinarium-Tower lässt sich das hügelige Weinland des östlichen Sloweniens mit seinen Kellergassen in seiner ganzen Ausdehnung erfassen.
Zahlreiche Heurigenlokale laden ein, den Rad-Tag zu beschließen und sich durch die hier gekelterten Weine zu kosten. Ein Roter aus der Region erinnert an Uhudler – richtig, bestätigt Winzer Aleks. Er serviert Gulaschsuppe und Polenta-Taschen mit Nüssen, Powidl und Topfen, und erzählt über sein Studium in Österreich und den Entschluss, den Winzerbetrieb seiner Familie weiterzuführen.
Die Nordroute des Bike-Trails quert die Grenze nach Ungarn, wo man in Kerkaszentkirály kurz das Fahrrad gegen ein Kanu tauschen und die Natur am Fluss aus nächster Nähe erleben kann – Amazonas-Feeling eben. Der dichte Baumbestand an den Ufern ist der ideale Lebensraum für die Vogelwelt. Entlang der Strecke liegen mehrere Riverschools, die Kindern das Wesen der Flusslandschaft nahebringen. Akustisch und mit Videoinstallationen werden Fische, Amphibien und Vögel präsentiert. Auch als Erwachsener lernt man viel über die Natur.Am östlichen Scheitelpunkt der Nord- und Südroute liegt der kroatische Naturpark Kopački rit. Im flachen Land nahe der Donau finden viele Tiere gute Lebensbedingungen. Störche haben ihre Nester auf Häusern gebaut, Silberreiher sind in den feuchten Wiesen mit Futtersuche beschäftigt. An einem Donauarm im Zentrum des Parks legt ein Katamaran mit E-Antrieb ab und gleitet über das Wasser.
Die Passagiere bekommen einen am Ufer verharrenden, majestätischen Rothirsch zu sehen, Kormorane, die nach Fischen jagen, einen Seeadler, der hoch oben seine Kreise zieht. Kopački rit ist eines der am besten bewahrten Sumpfgebiete des Kontinents und hat sich das Prädikat „Amazonas von Europa“ verdient. Der Katamaran legt an und es heißt für die Passagiere auf dem Rad, die Rückfahrt durch den Biosphärenpark anzutreten, mit offenen Augen für die Natur. von Manfred Ruthner
Klimafreundliche Anreise
Mit den ÖBB nach Spielfeld, weiter nach Mureck.
Der Bike Trail
Über 1.250 km verbindet der Fernradweg in 27 Etappen Naturlandschaften und historische Städte in fünf Ländern. Mehr Infos zum vom WWF unterstützten Projekt.
Organisierte Reisen
Das Amazon of Europe Bike Trail Buchungscenter stellt Routen nach Wunsch mit Unterkünften zusammen, angeboten wird auch ein Gepäcktransport sowie der Rücktransfer zum Ausgangsort.
Zwischenstopps
– Die Thermenstadt Bad Radkersburg mit Rathausturm und Puchhaus ist einen Halt wert.
– Die Sektkellerei Radgonske Gorice hat die Sektherstellung in Finsternis perfektioniert, man arbeitet mit Nachtsichtgeräten.
– In der Gegend des Vinarium-Towers liegen viele Heurigenlokale.
– Der Naturpark Kopački rit liegt bei Osijek und bietet eine enorme Artenvielfalt
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