Eisfischen in der Steiermark: Petri Heil bei Minusgraden
Wer den Weberteich aus dem Sommerurlaub kennt, könnte denken, das ist ein Natursee, so perfekt fügt er sich in die Landschaft ein: von Wäldern umstanden, am Horizont die Niederen Tauern, am Ufer Pfahlbauten, die einem Keltendorf nachempfunden sind. Tatsächlich waren es jedoch die Mönche des Benediktinerstifts Admont, die hier vor dreihundertfünfzig Jahren ein riesengroßes Loch aushoben, um Karpfen und Bachforellen für die Fastenzeit zu mästen. Heute haben die Padres den Weberteich an den hiesigen Fischereiverein verpachtet. Die Angler konkurrieren im Sommer mit Badegästen um die besten Plätze, da ist schon mal dezenter Freizeitstress angesagt. Im Winter aber, wenn der See zufriert und die Stille Einzug hält, ist er die eisige Spielwiese von Matti Pripfl.
Bevor sich der gelernte Gastronom und Eventmanager aufs Eis wagt, prüft er dessen Stärke. Ende Jänner ist das nicht mehr als eine Routineübung. „Vierzig Zentimeter“, schätzt Pripfl. „Da kannst mit dem Lastwagen drüber fahr’n.“ Er und Margit Berger haben lange nach dem passenden Gewässer gesucht, fündig wurde das Paar hier. In den drei Monaten zwischen Jänner und März friert der auf rund 1.000 Metern gelegene Weberteich zuverlässig zu. Solche Gewässer gibt es nicht viele in Österreich, außer vielleicht im Hochgebirge, wo aber das Hinkommen im Winter schon eine halbe Expedition wäre.
Pripfl hantiert mit einem riesigen, benzinbetriebenen Eisbohrer, der sich durch die Schichten frisst. Bald schwappt Wasser in der etwa fußballgroßen Öffnung. Der Steirer fischt letzte Eisreste mit den blanken Händen heraus, kein Spaß bei minus zehn Grad. Man bekommt eine Vorstellung davon, wie es Trappern im Yukon geht, die noch mit einem Handbohrer arbeiten, oft bei Temperaturen von minus dreißig Grad. Dort kam auch Pripfl zum ersten Mal mit dem Eisfischen in Berührung.
Inzwischen sind seine Gäste eingetrudelt. Angel-Guide Pripfl bekommt hier die unterschiedlichsten Charaktere präsentiert: Vater-Sohn-Teams, echte und selbst ernannte Könner, harmonische und nicht so friedvoll gestimmte Paare, ehrgeizige und lockere Typen. Im Prinzip geht es über dem Eis nicht anders zu als darunter. Auch da tummeln sich diverse Arten: träge Karpfen, vorlaute und selbstbewusste, weil aus den USA stammende Regenbogenforellen, vorsichtige Saiblinge und Bachforellen. Karpfen sind fein raus. Die graben sich im Winter in den Schlamm am Grund ein. Fressen nicht, lassen sich daher nicht fangen. Umso mehr sind die drei anderen Arten, allesamt zu den Edelfischen zählend, Objekte der Begierde. „Wenn sie in Beißlaune sind, funktioniert fast jeder Köder“, sagt Pripfl. Er schwört auf selbstgekneteten Teig mit etwas Olivenöl. „Maiskörner gehen aber auch.“
Was denkt der Fisch?
Heute soll es der Teig richten. Er kommt an eine sehr kurze, fast geschrumpft wirkende Angelrute. Warum so klein? „Weil ich möglichst nah am Loch sitzen will.“ Klingt logisch. Dann geht es los. Das heißt, es passiert – nichts. Eisfischen ist keine Tätigkeit, bei der man sich groß bewegt. Das wäre grundsätzlich in Ordnung, würde das Ganze im Sommer stattfinden. So aber empfehlen sich warme Kleidung und Schuhe.
Dann wartet man. Und wartet. Und wartet. Tauscht Teig gegen Mais. Hängt den Köder mal höher, mal tiefer ins eisige Wasser. Ja, man hätte schon noch die ein oder andere Frage an die Forellen da unten, aber die sprechen nicht. Man weiß nicht, was sie denken, falls sie etwas denken. Sind sie überrascht, dass da jemand mitten im Winter ein Loch bohrt? Macht es sie neugierig, weil endlich was passiert?
Im Moment haben sie jedenfalls keinen Appetit. Ein Greifvogel kreist über dem Weberteich. Auch er hätte vermutlich nichts gegen ein Forellenfilet einzuwenden. Trotzdem ist es schön auf dem Eis. Alle haben sich eingerichtet, starren auf das Loch, schweigen. Die Welt hier ist übersichtlich. Der Alltag mit seinen Sorgen verblasst Stück für Stück. „Wenn ich alleine am See bin, vergesse ich alles rings um mich, genieße einfach das Leben, die frische Luft und die verschneite Landschaft“, sagt Pripfl.
Endlich ein Ruck, die Rute biegt sich scharf, die Spitze verschwindet fast im Eisloch. Dann geht alles sehr schnell: Einige Umdrehungen mit der Kurbel – und die verdutzte, unglückliche Regenbogenforelle zappelt im Schnee. Pripfl betäubt das Tier mit einem Schlag und setzt den Kiemenschnitt. Es dauert keine zwanzig Sekunden. Der erste Fang des Tages ist ein Prachtexemplar. Weil der Grill noch heiß ist, kommt die Beute in Alufolie gewickelt auf den Rost. Vorzüglich. Die kalten Zehen sind schnell vergessen.
Am späten Nachmittag, als die Sonne schon tief steht, kommt Pripfls Partnerin. „Eure Löcher frieren ja schon wieder zu“, sagt sie lachend. „Jetzt wird’s Zeit zum Heimgehen.“ Sicherheitshalber markieren die beiden die Eislöcher, weil sich ja auch andere Menschen auf dem Teich bewegen. Hineinfallen sei aufgrund der geringen Größe aber nicht möglich. Höchstens ein kleiner Fuß würde durch das Loch passen. Oder eine sehr große Forelle – aus der anderen Richtung
Klimafreundliche Anreise
Mit Bus und Zug ist man ab Wien in knapp 4,5 Std. in der steirischen Ortschaft Hohen- tauern – der Weberteich ist gleich um die Ecke. oebb.at
Eisfischen
Saison ist hier in der Regel von Anfang Jänner bis Mitte/ Ende März (genaue Daten auf alpinefreizeit.j-m-p.at). Der Paketpreis von 104 Euro beinhaltet Betreuung durch einen Angelprofi, Spezial- Eisanglerausrüstung, Tages- karte, Lizenz und das Grillen der gefangenen Fische. Diese werden in Kräuteröl mariniert, am offenen Feuer gegart und mit heißem Knoblauchbaguette serviert. Das Eisfischen dauert etwa fünf Stunden (10–15 Uhr). Individuelle Termine sind ab fünf Personen möglich. Taschenwärmer werden gegen Gebühr verliehen
Auskunft
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