Das Touristenneuland Al-Ula in Saudi-Arabien

Das Touristenneuland Al-Ula in Saudi-Arabien
Bis jetzt waren touristische Reisen in das Land kaum möglich, nun öffnet sich Saudi-Arabien zunehmend. Die Wüstenregion um Al-Ula nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Ein erster Blick in eine faszinierende Welt

Sie lehnt cool an ihrem neuen Auto und streichelt den Lack. „Ich wollte unbedingt die Farbe Schwarz-Metallic, auch wenn ich deswegen vier Monate länger warten musste.“ Amal strahlt vor Stolz. Zu sehen sind aber nur die lachenden Augen, der Rest der zierlichen Person ist in bodenlanges Schwarz gehüllt, inklusive Gesichtsschleier Niqab.

Amal absolvierte als eine der ersten Frauen im saudi- arabischen Al-Ula die Ausbildung zur Touristenführerin. „Ich liebe den Job: Da treffe ich viele Menschen, kann mein Wissen einbringen und verdiene gutes Geld.“ Zunächst leistete sie sich eine eigene Wohnung, dann den Ami-Schlitten in Schwarz-Metallic. Frauen ist in Saudi-Arabien das Autofahren erst seit 2019 gestattet. An Abaya und Niqab hält Amal trotz allen Fortschritts fest: „Das ist unsere traditionelle Kleidung und hat nichts mit Religion zu tun. Ich bin sie gewohnt und fühle mich wohl darin!“

Die Aufbruchsstimmung ist mit den Buchstaben „MBS“ verbunden: Seine Königliche Hoheit Prinz Mohammed bin Salman. Bis September 2019 war es für entdeckungslustige Globetrotter fast einfacher, eine Audienz beim Papst zu bekommen als ein Touristenvisum für Saudi-Arabien. Der 37-jährige Thronfolger vollstreckt nun einen Generationenwechsel, seine „Vision 2030“ treibt das Land in die Zukunft.

Das Touristenneuland Al-Ula in Saudi-Arabien

Viele Vorschriften und Verbote fallen; anderes ist plötzlich erlaubt, zum Beispiel Tourismus. Bleiben solldas uralte Konzept arabischer Gastfreundschaft, aber auch einige mit westlichen Demokratien nicht kompatible Wertvorstellungen. Dennoch betritt nun nach Ende des strikten Lockdowns das internationale Reisevölkchen zaghaft den streng religiösen Wüstenstaat. Und somit touristisches Neuland.

Vorreiter dabei ist die liberalste Region im Land, Al-Ula im Nordwesten: Diese archäologische Schatzkammer (rund doppelt so groß wie Oberösterreich) verbarg bis dato erfolgreich 7.000 Jahre alte Felskunststätten und Höhlenmalereien. Das grundwasserreiche Oasental inmitten goldener Sandwüste mit 2,3 Millionen Palmen, geschützt von schroff aufragenden Sandsteinbergen und bizarren Basaltformationen bot schon immer reiche Lebensgrundlage. Das hochorganisierte Dadan-Königreich wurde von den noch mächtigeren Nabatäern abgelöst. Hier entstand die arabische Schrift, hier kreuzten Pilger- und Handelswege (Weihrauchstraße).

Absoluter Höhepunkt ist Hegra, seit 2008 erste UNESCO-Welterbestätte Saudi-Arabiens: Aus dieser südlichsten Nabatäer-Zivilisation blieben 120 gigantische Grabmonumente im senkrechten Fels aus der Zeit 100 vor und nach Christus gut erhalten. Sie zeigen ägyptische, mesopotamische und griechische Baukunst und sind nicht weniger bedeutend als das berühmte Petra beim Nachbarn Jordanien. Doch im Gegensatz zu Petra genießen Hegra-Touristen unbehelligte Ruhe und werden beim Rundgang lediglich von einheimischen Geschichtenerzählern begleitet. Allein diese Tatsache fühlt sich wie ein Wunder an.

Das Touristenneuland Al-Ula in Saudi-Arabien

Premierengäste

Unter dem wenig bescheidenen Slogan „The World’s Masterpiece“ wird das „Experience AlUla“ für Luxus-Gäste fit gemacht. Zur Realisierung des weltgrößten Oasenerneuerungsprojektes rief MBS vor fünf Jahren die international besetzte Royal Commission for AlUla (RCU) ins Leben. Der Masterplan bis 2035 ist angeblich strikt im Sinne der Nachhaltigkeit – zunächst wurde jetzt einmal „Old town Al-Ula“ restauriert.

Die ersten Gäste kommen aus dem Staunen jedenfalls kaum heraus: so viel geballter Luxus, so innovative Architektur, so hochkarätige Kunst inmitten der archaischen Wüstenwildnis! Saudi-Arabien demonstriert Reichtum und gibt sich westlich: Die gigantische, multifunktionelle Maraya Concert Hall ist das größte verspiegelte Gebäude der Welt. Hier gastieren Stars wie Andrea Bocelli, Lionel Richie oder Alicia Keys; Cartier und Rolls Royce drehen Werbefilme. Und die Kunstausstellung im Erdgeschoß ist kritisch.

Das Touristenneuland Al-Ula in Saudi-Arabien

Aktuell empfangen die ersten vier Luxus-Resorts betuchte Klientel. Den Gästen des Habitas Al-Ula im 3,2 Kilometer langen Wadi stehen Elektroroller, Trampoline, Wellness, Gourmetküche, Pools, Fitness zur Verfügung – im Wüstensand. Weitere Luxus-Brands wie Aman oder Banyan Tree folgen bald und der französische Stararchitekt Jean Nouvel will mit einem Projekt im Bergesinneren des Sharaan Nature Reserve gar „eine neue Ära des Hotelbaus“ begründen. Mitunter fühlt man sich hier auf den Mars versetzt.

Europäische Gäste können sich überraschend ungeniert und unbehelligt bewegen. Frauen brauchen kein Kopftuch, sie sollten allerdings Schultern und Knie bedecken und keine aufreizend enge Kleidung tragen. Es gibt nur ein striktes Verbot: Drogen! Auch kein Wein und Bier. „Wir brauchen keinen Alkohol, um Spaß zu haben“, erklärt Guide Sulaiman. Dafür gibt es Freiluftkunst, Events und Festivals (Ballon, Yoga, Wellness, Oasen-Heritage,...) und Highend-Kulinarik in schicken und schrägen Locations (s. links). Ständiges Neuerfinden zum Gaudium der Gäste.

So exklusiv und unberührt sich Al-Ula aktuell zeigt, wird es nicht bleiben: Bis 2035 sollen zwei Millionen Besucher pro Jahr herbeiströmen. 2021 waren es 65.000 – vorwiegend reiche Saudis. Wer zu den Ersten gehören will, muss sich beeilen.

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