Abenteuer Amazonas-Kreuzfahrt: Der Delfin trägt Rosa

Abenteuer Amazonas-Kreuzfahrt: Der Delfin trägt Rosa
Piranhas, Taranteln und dubiose Flussdelfine – eine Fahrt auf dem Amazonas ist nichts für Angsthasen.

Was bei uns kleine Mädchen entzückt, ruft in Peru Angst und Schrecken hervor: ein rosa Delfin. Die wendigen Schwimmer gleiten in kleinen Gruppen durch die milchkaffeebraunen Wellen des Amazonas oder springen in eleganten Bögen aus dem tiefschwarzen Wasser der Nebenarme. Die Amazonas-Bewohner ziehen sich dann vom Ufer zurück. Rosa Delfine, so glauben sie, entführen junge Mädchen und halten sie in ihren Palästen auf dem Grund des Amazonas gefangen.

Die Gäste des Flusskreuzfahrtschiffes La Perla kratzt das nicht. Sie drängen sich bedenkenlos an die Bordkante der Expeditionsboote und lassen ihre Kameras dauerklicken. Immer wieder zeigt Expeditionsleiter Juan Tejada auf einen kleinen Wasserstrudel in der sonst spiegelglatten Lagune. Gerade hat dort ein rosafarbener Delfin aus dem Wasser gelugt oder einen perfekten Bogen geschlagen. Doch kaum gesagt, ist der schnelle Schwimmer schon wieder im schwarz glänzenden Wasser verschwunden.

Der rosa Delfin ist allerdings nur einer der vielen Höhepunkte, die auf der siebentägigen Tour auf dem Amazonas und seinen Nebenarmen warten. Gerade einmal zweiunddreißig Gäste haben auf der La Perla mit Lounge, Restaurant und Sonnendeck Platz, so dass eine sehr persönliche Betreuung und authentische Erlebnisse möglich sind. Bis zu vier Ausflüge stehen pro Tag auf dem Programm. An Bord bleiben gilt nicht. Dafür sorgt Juan, der mit seinen Adleraugen Baby-Kaimane im Schilf und Zwergseidenäffchen im dichten Dschungelgrün entdeckt, der Falken mit Ködern zum Sturzflug ins Wasser animiert und weiß, wie man scharfzahnige Piranhas mit Bambusruten angelt.

Abenteuer Amazonas-Kreuzfahrt: Der Delfin trägt Rosa

„Früher war ich ein anderer Mensch“, verrät Juan eines Abends bei einem Pisco Sour in der La-Perla-Lounge. „Ein Schamane hat dafür gesorgt, dass ich mein Leben geändert habe.“ Mehr will der fünfzigjährige Peruaner nicht erzählen. Die Kreuzfahrtgäste sollen sich selber ein Bild machen, denn der Besuch einer Schamanin steht auf dem Plan. Am nächsten Morgen fallen dicke Tropfen aus grauen Wolkentürmen und lassen kleine Strudel im Wasser kreiseln. Die gute Nachricht: Solange es regnet, geben die Insekten Ruhe, gegen die man sich vor allem in den Morgen- und Abendstunden mit langärmeligen Hemden und Moskitospray schützen sollte.

Das Boot tuckert den Amazonas-Nebenfluss Ucayali entlang und pflügt durch hellgrüne Teppiche aus Wasserhyazinthen. Bald reißt der Himmel auf. Blaue Schmetterlinge schwirren umher und die Vögel beginnen ihr Morgenkonzert. Kreuzfahrtgast Shirley zückt ihr durchnässtes Notizbuch.

821 Vogelarten hat sie darin bereits notiert. Auf der Amazonas-Reise möchte sie die 1.000 schaffen. Also macht Juan für sie immer neue schillernd-bunte Vögelchen ausfindig. Gelbköpfige Schnurrvögel, blaufedrige Eisvögel, smaragdgrüne Kolibris und bunte Tukane mit Riesenschnäbeln. Auch wer kein Ornithologe ist, kommt auf seine Kosten. Die Spiegelbilder von Himmel, Wolken und Baumriesen schimmern im dunklen Wasser, als hätte man sie geklont. Ein zarter, schneeweißer Reiher fliegt aus dem Schilf auf und gleitet am Himmel vorbei – sein perfekt gezeichnetes Spiegelbild wabert durch die Wellen.

Abenteuer Amazonas-Kreuzfahrt: Der Delfin trägt Rosa

Aus dem Wald dringt Gesang, als sich das Boot dem Ufer nähert. Unter einer ausladenden Zeder steht die schilfgedeckte Zeremonienhütte der Schamanin. Mit ihrem Wissen als Heilerin versorgt sie neun Dörfer am Amazonas. Patschuli-Wurzeln heilen Haarausfall, gegen gebrochene Knochen hilft Anakonda-Fett, gegen Depressionen Ayahuasca, ein Pflanzensud aus Lianen und Kaffeestrauchblättern.

Wer von dem Elixier nippt, fällt in einen tranceähnlichen Zustand. Sogar die westliche Medizin setzt Ayahuasca zur Heilung von Suchtkrankheiten und bei psychischen Problemen ein. Und auch Juan hat davon probiert. „Ein Schamane gab mir Ayahuasca und ich bin gedanklich in meine eigene, sehr schwierige Kindheit gereist. Das hat mir die Augen geöffnet und ich habe mein Leben geändert.“

Sieben Tage gleitet die La Perla durch den Dschungel. Am Ende stehen Erlebnisse im Tagebuch, die man vorher niemals für möglich gehalten hätte. Die Gäste hatten einen Kaiman im Arm, haben einer Tarantel ins Auge geblickt und einer Anakonda über die glatte Haut gestrichen. Eine Schamanin hat ihnen verraten, welche Aura sie umgibt, mit dem Tuk-Tuk ging es durch aufgeweichte Straßen und in einem abgelegenen Dorf haben sie von Bananenblättern die Fischdelikatesse Patarashca gegessen.

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Am letzten Tag der Flussfahrt wartet noch eine Herausforderung. „Badesachen anziehen, heute schwimmen wir im Amazonas“, hatte Juan breit grinsend angekündigt. Leben denn nicht Anakondas im Wasser, was ist mit dem giftigen Minifrosch, den hungrigen Kaimanen und vor allem den gefräßigen Piranhas? Es ist schließlich Steve, ein Mittsechziger aus Kanada, der sich aus den Klamotten schält, beherzt springt und im undurchsichtigen Flusswasser versinkt. Bald darauf planscht das ganze Grüppchen Kreuzfahrer im Amazonas.

Schlangen, Frösche und Piranhas werden nicht gesichtet und doch – Juans Adleraugen haben sie entdeckt. Kaum fünfzig Meter entfernt heben sich rosafarbene Flossen aus dem dunklen Wasser – Flussdelfine, die aus ihren Unterwasserpalästen an die Oberfläche gekommen sind, um zu schauen, wer dort oben eigentlich so ein wildes Spektakel aufführt. von Jutta Lemcke

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