Untreu per Smartphone
Wovon die Komödie handelt, hat einen Namen: "Micro-Cheating", zu Deutsch "Mini-Betrügen". In Zeiten allmächtiger Smartphones und ständigen Online-Seins ist eine neue Techtelmechtel-Facette aufgetaucht, die in digitalen Sphären stattfindet. Etwa, wenn der Partner gezielt Social-Media-Inhalte einer bestimmten Person likt oder regelmäßig Privatnachrichten auf Instagram, Facebook und Co. mit ihr austauscht.
Verführt uns das Smartphone also zur Untreue? "Durchaus", meint Paartherapeutin Elisabeth Lindner. "Die Digitalisierung bringt mehr Möglichkeiten, mit anderen in Kontakt zu kommen. Sowohl die eigenen Defizite als auch jene im Paargeschehen werden so mitunter schneller sichtbar als früher", erklärt Lindner, die zusammen mit ihrem Mann Kurt Wawra das Wiener Institut für Beziehungscoaching leitet. Die Scheinwelt neuer Medien erzeuge auch Räume für verführerische Projektionen: "Die Bestätigung und Zuwendung durch das virtuelle Gegenüber lässt rasch Verliebtheitsgefühle entstehen. Die machen wiederum ungerechter gegenüber der bestehenden Beziehung, in der es womöglich nicht so spannend und konfliktfrei zugeht."
Ein weiteres – von der digitalen Welt losgelöstes – Problem: In der Gesellschaft wie auch in Paarbeziehungen werde zwar viel über Loyalität in Beziehungen diskutiert, "das eigene Treueverhalten aber nur selten hinterfragt".
Absicht entscheidend
Doch wo liegt überhaupt die Grenze zwischen einer Handvoll Facebook-Likes und dem Hintergehen des oder der Liebsten? Und wann gefährdet man damit seine Beziehung? "Entscheidend ist die Absicht", sagt Lindner, die das Thema Internetbeziehungen auch in ihrem Buch "Mut in Beziehungen" bespricht. "Untreue beginnt meines Erachtens dann, wenn man die Kommunikation mit anderen verheimlicht, gemeinsame Beziehungswerte bewusst beiseiteschiebt und den Partner absichtlich unerwähnt lässt." Je geringer der eigene Selbstwert und fragiler die Beziehung, desto eher werde laut Lindner das parallele Leben verheimlicht. Wird Persönliches mit der Internetbekanntschaft geteilt, können Flirts zu digitalen Affären werden – und einer Partnerschaft ebenso schaden, wie eine klassische Außenbeziehung.
Wie sich die Smartphonisierung auf Paarbeziehungen auswirkt, hat Fotograf Eric Pickersgill eingefangen. Für seine Fotoserie "Removed" ("Entfernt") lichtete er Paare in Alltagsszenen ohne mobiles Endgerät ab. Entstanden sind Bilder, die die Leere, die Smartphones zwischen Liebenden hinterlassen, auf beklemmende Art porträtieren. Eine Aufnahme zeigt ein Paar im gemeinsamen Bett – voneinander abgewandt und in ihre leeren Handflächen starrend.
Apropos Bett: Die digitale Dauerbeschallung befördert auch die Lustlosigkeit im Schlafzimmer, zeigt der aktuelle Freizeit-Monitor, der das Freizeitverhalten der Deutschen analysiert. Viel lieber als mit dem Partner (66 Prozent) verbringen unsere Nachbarn ihre Zeit mit surfen im Internet (81 Prozent). "Die Ablenkung durch das Smartphone dient sicher nicht der Erotik", bestätigt Lindner. Der abendliche Blick aufs Smartphone sei aber nicht zu verteufeln: "Früher haben Paare im Bett nebeneinander Bücher oder Zeitschriften gelesen. Problematisch wird das erst, wenn unterschiedliche Bedürfnisse vorhanden sind, einer also Nähe will und der andere nicht."
Handy im Mittelpunkt
Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mittlerweile damit, wie sich die Nutzung technischer Geräte auf die Kommunikation auswirkt. Der neumoderne Begriff für dieses Phänomen ist "Phubbing" – ein Mix aus dem englischen Wort "phone" für Telefon und "snubbing", also jemanden vor den Kopf stoßen. "Wenn die Beschäftigung mit dem Handy als Kränkung oder Respektlosigkeit empfunden wird, muss das angesprochen werden", sagt Lindner.
Generell sei es ratsam, mit dem Partner über eigene digitale Gepflogenheiten und Kontakte zu sprechen. Dies beuge Missverständnissen, Eifersucht und Konflikten vor. Eine gute Nachricht zum Schluss: "Es gibt auch viele Paare, die sich über die Neuigkeiten im Netz austauschen und ins Gespräch kommen."
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