"Wie im Wilden Westen": Hinter den Kulissen der Modelbranche
Missbrauch, käufliche Models und mächtige Agenturchefs, die sich wie Zuhälter gerieren. Es ist ein düsteres Bild, das der deutsche Designer Wolfgang Joop in einem Interview mit dem Spiegel über die Modewelt der 70er- und 80er-Jahre zeichnete. Die Schilderungen des 77-Jährigen über vergangene Mode(l)zeiten sorgten für einen Aufschrei in den sozialen Medien – und werfen die Frage auf, inwiefern sich die Bedingungen in der Glamour-Branche seither verändert haben.
Der deutsche Modelagent Peyman Amin, bekannt als Juror bei „Germany’s Next Topmodel“, kennt die Szene seit fast dreißig Jahren. „Es gibt schwarze Schafe“, sagt der 50-Jährige zum KURIER. Von „seinen“ Models wisse er, dass die Situation in der Fashion-Metropole Mailand besonders kritisch sei. „Dort gibt es viele Promotoren, die mit Mopeds durch die Gegend fahren, Models abgreifen und zu Partys einladen. Sie werden pro Mädchen bezahlt. Wie im Wilden Westen.“
Models und #MeToo
Auf besagten Partys würden sie zu reichen – und oftmals auch berühmten – Männern an den Tisch gesetzt werden. „Dort sind sie quasi wie Freiwild anzusehen. Weiß Gott, was da noch alles passiert. Es ist auch kein Geheimnis, dass Models bei Fotoshootings oft belästigt wurden und leider immer noch werden.“
Durch die #MeToo-Bewegung trauen sich immer mehr Frauen, solche negativen Erfahrungen öffentlich zu machen. Derzeit wird gegen Gérald Marie, den früheren Europa-Chef der mächtigen Model-Agentur Elite (und Ex-Mann von Supermodel Linda Evangelista) ermittelt, nachdem ihm mehrere Models sexuelle Belästigung und Vergewaltigung vorgeworfen haben. Auch beim berühmten Dessous-Label Victoria’s Secret wurden Übergriffe auf Models bekannt. Der Marketingchef Ed Razek soll sie laut Recherchen der New York Times Models begrapscht, geküsst und massiv unter Druck gesetzt haben. Star-Model Emily Ratajkowski berichtete in einem Essay von einem bekannten Fotografen, der sie nach einem Shooting zum Sex gezwungen haben soll.
Fördern und schützen
Das Um und Auf sei eine seriöse Agentur, sagt Österreichs Model-Export Stella Lucia. Die 22-Jährige lebt in New York, gilt als Lagerfeld-Liebling und lief eben für Gucci über den Laufsteg. „Ich kann nur für mich sprechen, aber meine Erfahrungen waren bis jetzt ausschließlich positiv“, erzählt die gebürtige Steirerin. „Ich pflege mit meinen Agenturen und Clients ein fast familiäres Verhältnis.“
Große Agenturen und Verlage haben auf die Vorwürfe, die im Zuge der Weinstein-Affäre ans Licht kamen, reagiert und ihre Regelkataloge verschärft. So kündigte etwa Condé Nast, Mutterschiff der Vogue, vor drei Jahren an, nur noch mit Models älter als 18 Jahre zu arbeiten.
Eine positive Entwicklung, findet Peyman Amin. „Die Problematik ist ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt, entsprechend hat sich die Situation meines Erachtens schon verbessert. Gute Agenten achten heute noch mehr darauf, ihre Models zu schützen und auf potenzielle Gefahren vorzubereiten.“
„Eine Frechheit“
Gute Agenten – und natürlich gute Designer. Austro-Couturier Arthur Arbesser ist seit 16 Jahren im internationalen Modebusiness tätig und zeigt sich ob der Aussagen seines Kollegen Joop verärgert. „In jedem Business, wo es Abhängigkeiten gibt, gibt es auch Gefahren. Aber einer ganzen Branche solche Auswüchse zu unterstellen, ist eine Frechheit“ , sagt er zum KURIER.
Arbesser selbst würde seinen Models „mit Hochachtung“ begegnen. „Im besten Fall ergeben sich wunderbare Beziehungen, die man gerne pflegt. Nach einem halben Jahr braucht man die Models ja wieder. Es ist schön, gemeinsam zu wachsen. “
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