Vivienne Westwood: Die Königin der Rebellion
Was für eine traurige Nachricht: Vivienne Westwood lebt nicht mehr. Eine der großartigsten Modeschöpferinnen der Welt und unerschöpfliche Aktivistin starb am Donnerstag in London im Kreise ihrer Familie. Sie hinterlässt ihren Ehemann, Andreas Kronthaler und ihre beiden Söhne, den Fotografen Ben Westwood aus erster Ehe und Joseph Corré, den Mitbegründer der Unterwäschemarke Agent Provocateur. Sein Vater war Malcolm McLaren.
Wie traurig, dass man diese gescheite, innovative, aktive, originelle Ikone jetzt nicht mehr treffen kann. Was war das immer für eine Freude, sich nach ihren umwerfenden Shows backstage mit ihr zu unterhalten! Nach mehreren wilden Jahren mit Punk-Mode in London zeigte sie 1982 ihre erste Show in Paris. Und revolutionierte damit gleich einmal auch dort die Gestaltung einer Modeschau.
Zur Präsentation ihrer „Buffalo Girls“-Kollektion ließ sie appalachische Folkmusic spielen, zu der die Models im Squaredance über den Laufsteg hopsten. In Outfits in den Camouflagefarben der Prärie, mit sichtbaren Nähten und mit Schlamm als Make-up. Und was erfuhr ich backstage unter anderem von Vivienne? Dass die Musik der Appalachen auch schottische Wurzeln hat.
Hoch hinaus
Es gab nach unten rutschende Strümpfe zu sehen, BHs über Kleidern, das gerippte T-Shirt, Stofflappen-Schuhe, Stofffetzchen im geflochtenen Haar ... Die Show wurde beklatscht und in den Medien gelobt. Auch das Victoria & Albert Museum in London vermerkte: „Obwohl ihre Ideen extrem sind, sind ihre Kleider doch tragbar.“ Westwoods Ideen zu kopieren gehörte sofort zum Alltag.
1985 brachte sie den Mini-Crini auf den Laufsteg. Historische Bekleidung gehörte bis zuletzt zu ihren wichtigsten Inspirationen. Die Minikrinoline bestand aus einem Glockenrock, den Plastikreifen in Form hielten. Setzte man sich nieder, fielen sie in sich zusammen. Schon wieder eine Idee, die man kopieren konnte.
Eines ihrer frühen Markenzeichen waren auch die abenteuerlich hohen Plateauschuhe. Abgeschaut nicht den Punks, sondern Schuhen aus den griechischen Tragödien, wie die Autorin wieder einmal backstage von Vivienne erfuhr. Unvergesslich der Moment, als Naomi Campbell damit auf dem Laufsteg stürzte. Schon wieder etwas zum Kopieren!
Aktivismus
Viel zu wenig „kopiert“ wurden ihre aktivistischen Ideen. Bereits in jungen Jahren ging Westwood in London auf die Straße. Als dann bereits international bekannte und angesehene Modeschöpferin setzte sie sich immer wieder für Menschenrechte ein. Sie forderte die Freilassung des indianischen Aktivisten Leonard Peltier und die Schließung des Gefangenenlagers von Guantanamo Bay. Es folgte 2012 ihr Kampf für die Freilassung von Julian Assange. Westwood besuchte ihn wöchentlich in seinem Asyl und machte das auch publik. Ihre Männermodepräsentation im Juni 2016 widmete sie Assange und trat dabei selbst mit ihrem für ihn entworfenen T-Shirt auf. Es wurde für 45 Euro verkauft, um Geld für ihn zu sammeln.
Wegen der geplanten Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze in Großbritannien entwarf sie für die Bürgerrechtsorganisation Liberty ein Hemd mit der Aufschrift „Ich bin kein Terrorist. Bitte nehmt mich nicht fest.“
Ab 2007 verwendete sie keine Tierfelle mehr für ihre Outfits und Accessoires. Bereits im gleichen Jahr rief sie zu Konsumverzicht auf. 2012 spendete sie eine Million Pfund für die Umweltschutzorganisation Cool Earth für den Erhalt der tropischen Regenwälder. 2016 spendeten sie und Andreas Kronthaler 1,5 Millionen Pfund für das Projekt mit einheimischen Waldschützern. Und, und, und ...
Traummann aus Tirol
Möglich war ihr das zeitlich gesehen vor allem durch ihren Mann, Andreas Kronthaler. Kennengelernt hat sie den Tiroler 1983, als sie an die Universität für angewandte Kunst in Wien als Modeprofessorin berufen wurde. Aus der Zusammenarbeit wurde bald Liebe. Das manifestierte sich ab 2016 auch im neuen Logo. Man wurde jetzt nicht mehr zu den Vivienne-Westwood-Modeschauen eingeladen, sondern zu „Andreas Kronthaler for Vivienne Westwood“. Eines der wenigen Modehäuser, die den wahren Designer hinter den Kollektionen nicht verstecken.
Davor war der Tiroler auch schon immer am Ende der Modeschauen in Paris mit Vivienne auf den Laufsteg gekommen. Dabei überreichte er seiner Frau (verheiratet sind die beiden seit 1992) einen riesigen Strauß Blumen und küsste sie. Ein sehr berührender Moment. Und auch wenn man mit den beiden sprach, schwärmten sie regelmäßig voneinander.
Wien und Tirol spielten in beider Leben eine große Rolle. Für das Burgtheater lud Paulus Manker sie 1996 ein, die Kostüme für „Die Dreigroschenoper“ zu kreieren. Sie war immer wieder Gast am Life Ball. 2012 veranstaltete sie eine Modeschau im Kunsthistorischen Museum und 2014 kreierte sie die Kostüme für das Neujahrskonzert.
Arme Vivienne!!! Armer Andreas!!!
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