Besuch vom Diamanthändler: "Es ist ein gefährliches Business"
Keine Fotos von ihm, keine Erwähnung seines vollen Namens. Herr G. bittet beim Treffen um Diskretion. Warum, zeigt wenige Minuten später der Blick in seine unscheinbare Tasche.
Unzählige Diamanten in verschiedensten Größen, Formen und Farben hat der Händler aus Tel Aviv nach Wien zum Termin mit Juwelier Felix Köck mitgebracht. Letzterer trifft sich mehrmals pro Jahr mit G., um lose Edelsteine für die Anfertigung seiner Kreationen einzukaufen.
Für G. eine ebenso lukrative wie riskante Dienstreise. „Es ist ein gefährliches Business“, sagt der auf den europäischen Markt spezialisierte Israeli. „Ich werfe ständig einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass mir niemand folgt.“ Seine Besuche in Österreich sind gut geplant: „Wenn ich reise, wechsle ich täglich das Hotel und fahre immer mit anderen Autos.“ In welches Land er wann fliegt und mit welcher Kundschaft er sich trifft, hält G. selbst vor Familie und Freunden geheim.
Veränderte Wünsche
Für den Diamanthändler aus Israel, eine der Drehscheiben der Schmuckindustrie, ist die Zeit vor Weihnachten Hauptsaison. Diamantschmuck gehört nach wie vor zu den Klassikern unterm Weihnachtsbaum – daran hat auch die Pandemie nichts geändert. „Seit Corona brummt das Geschäft. Eine gewisse Klientel gibt sehr viel Geld für Diamanten aus“, verrät G.
Lose Steine, die in Zeiten von hoher Inflation zuletzt häufig als Investment gekauft wurden, spielen als Präsent unter dem Christbaum allerdings kaum eine Rolle. „Hier wird nach wie vor zu Schmuck gegriffen“, weiß Juwelier Köck. Zusätzlich zu weißen Diamanten als Klassiker sind in den vergangenen Jahren bunte Varianten, sogenannte Fancy Colours, immer beliebter geworden. „Vor sechs Jahren haben nur wenige nach ihnen gefragt“, erinnert sich der Gemmologe. „Mittlerweile sind farbige Diamanten auch in den Köpfen der Kundschaft angekommen.“
Wer sich für sattes Gelb oder kräftiges Pink entscheidet, setzt auf gewissen Seltenheitswert: „Auf 10.000 weiße Diamanten kommt nur ein Fancy-Colour-Diamant.“
Spontankäufe
Zweimal jährlich fliegt Diamanthändler G. nach Afrika, um in den dortigen Minen Rohdiamanten einzukaufen. „Dadurch kann meine Kundschaft sicher sein, dass ich weiß, wo genau der Edelstein herkommt“, erklärt der Israeli. „Mit Konfliktdiamanten hat meine Arbeit rein gar nichts zu tun.“ Um welche Minen genau es sich handelt, behält er jedoch aus Wettbewerbsgründen für sich. Zurück in Tel Aviv werden die Steine in verschiedene Formen geschliffen.
Ungefähr 80 Prozent dessen, was er für bereits geplante Schmuckstücke benötigt, bestellt Felix Köck beim Händler vor. Das restliche Budget bleibt für Spontankäufe. „Er bringt bei seinen Besuchen immer sehr viele Steine mit“, sagt Köck, während er die verschiedenen Diamanten in Ruhe durchsieht. „Wenn ich etwas wirklich Besonderes sehe, kaufe ich es. Selbst, wenn ich noch keine Kundschaft dafür habe.“
Vergebliche Suche
Umgekehrt kann es allerdings auch passieren, dass Köck monatelang nach einem speziellen Kundenwunsch sucht: „Wir hatten kürzlich den Auftrag für einen Ring mit einem neunkarätigen Diamanten in Tropfenform“, erzählt der Gemmologe. „Diesen Schliff mit perfekten Proportionen in dieser Größe findet man nur selten.“ Kostenpunkt: 390.000 Euro.
Das schwerste Exemplar, das Diamanthändler G. jemals verkauft hat, wog 15 Karat. „Einen angefragten pinkfarbenen 12-Karäter konnte ich einmal nicht finden.“ Ansonsten sieht er in seinem Job nicht viel Unterschied zu jenem eines Apothekers: „Ich habe im Grunde alles im Sortiment.“
Nicht nur in Österreich legt die Kundschaft beim Kauf von Diamantschmuck immer mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Laut dem diesjährigen Diamond Insight Report von De Beers sind Menschen weltweit zunehmend bereit, für nachhaltigere Diamanten mehr zu bezahlen. Etwa 56 Prozent der Verbraucher sind bereit, 10 bis 20 Prozent mehr bei Diamantmarken auszugeben, die nachweislich sozial und ökologisch verantwortungsvoll arbeiten, ergab die Umfrage des Bergbaukonzerns unter 8400 Männern und Frauen in Europa, China, Indien und den USA. Fast 17 Prozent der Käuferschaft würde sogar um ein Viertel mehr für einen nachhaltigen Diamanten bezahlen.
De-Beers-Geschäftsführer David Prager sprach von einem Aneinanderrücken von Ethik und Wirtschaft. Es handle sich um keinen kurzweiligen Trend, sondern ein zentrales Thema der künftigen Schmuckbranche.
Sowohl De Beers als auch andere Bergbaukonzerne versuchen seit einiger Zeit bei den Themen Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit aufzuholen. Das Unternehmen verkaufte vergangenen Oktober erstmals Rohdiamanten aus seinem neuen GemFair-Programm, welches die Kleinschürferei transparenter gestalten soll. Diese Edelsteine enthielten bei der Auktion nicht nur Angaben zur Mine, in der sie gefunden worden waren, sondern auch den Namen des Schürfers sowie den Zeitpunkt der Ausgrabung.
Unterdessen pocht der World Diamond Council (WDC), der die Wertschöpfungskette repräsentiert, darauf, dass der Kimberley-Prozess einer Reform unterzogen wird. Dieser soll seit dem Jahr 2000 mithilfe von Zertifikaten den Handel mit Konfliktdiamanten unterbinden. Darunter versteht man Edelsteine, mit deren Verkauf Bürgerkriege finanziert werden.
WDC-Präsident Edward Asscher will, dass man sich auf eine erweiterte Definition von Konfliktdiamanten einigt, denn die gegenwärtige schließe Gewalt durch die herrschenden Behörden aus. Zwar habe es im Rahmen des Kimberley-Prozesses einige gute Entwicklungen gegeben, doch reichten diese laut Asscher nicht aus, um das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen zu sichern.
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